Aids in Deutschland:Die Risikobereitschaft steigt

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In Deutschland könnte die HIV-Epidemie nach Angaben des Robert-Koch-Instituts eine neue Dynamik entfalten. Zwar ist die Zahl der Neuinfektionen im vergangenen Jahr kaum gestiegen. Doch die Bemühungen, sich zu schützen, lassen deutlich nach.

Die Zahl der HIV-Neuinfizierten in Deutschland sei mit knapp 2000 pro Jahr weiter fast konstant, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aids-Stiftung, Christoph Uleer, unter Berufung auf Zahlen Robert Koch-Instituts. Insgesamt sind rund 43.000 Menschen bundesweit mit dem Virus infiziert. "Für eine Entwarnung gibt es keinen Anlass", so Uleer.

Besorgnis erregend sei auch ein starker Rückgang beim Absatz von Kondomen in Deutschland. Seien im Jahr 2000 noch rund 207 Millionen "Gummis" verkauft worden, so waren es 2003 nur noch 189 Millionen.

"Diese Entwicklungen geben Anlass zur Sorge und müssen im Hinblick auf die zukünftige Verbreitung von HIV ernst genommen werden", betonten Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), und Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA).

Männer, die Sex mit Männern haben, stellen nach ihren Angaben mit 41 Prozent weiterhin die größte Gruppe bei den Neuinfizierungen. Die meisten neuen HIV-Patienten leben in den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt/Main.

Bei 22 Prozent gäbe es keine Angaben zum Infektionsweg, diese Zahl sei gegenüber den Vorjahren weiter angestiegen. "Es ist daher wichtig, im Gespräch mit dem Patienten nach dem wahrscheinlichen Infektionsweg zu fragen und die Antworten auf dem Meldebogen zu vermerken", appelliert Osamah Hamouda, im Robert Koch-Institut Leiter des Fachgebietes Sexuell übertragbare Infektionen, an alle meldenden Ärzte. "Nur mithilfe dieser Angaben können verlässliche Aussagen zum Verlauf der HIV-Epidemie gemacht werden."

Aber auch außerhalb der Gruppe der homo- oder bisexuellen Männer steigt laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Risikobereitschaft. Die aktuellen Ergebnisse der Befragungen 2003 zeigen, dass die unter 45-jährigen Alleinlebenden vor allem in riskanten Situationen wie bei Urlaubsflirts oder dem Verkehr mit Prostitutierten seltener Kondome benutzten.

Mehr Spenden für die Deutsche Aids-Stiftung

Nach vorübergehenden Einbrüchen hat die Deutsche Aids-Stiftung 2003 deutlich mehr Spenden eingenommen als im Jahr zuvor: rund 2,9 Millionen Euro (2002: 1,6 Mio. Euro).

Wie in den Vorjahren kamen die Spenden überwiegend aus Benefiz-Projekten. Positiv zu Buche schlugen 2003 vor allem die Aids- Benefiz-Gala "Stars 2003" bei SAT.1 und eine Gala in der Deutschen Oper Berlin. Auch die Zahl der Einzelspenden stieg. Die Erträge der Stiftung insgesamt erreichten 2004 rund 4,6 Millionen Euro (2002: 2,6 Mio. Euro).

Die Zahl der Hilfsgesuche, die bei der Stiftung eingereicht wurden, gingen im Jahr 2003 mit 3818 Anträgen (2002: 3857) leicht zurück. Für bewilligte Anträge zahlte die Stiftung rund 1,6 Millionen Euro (2002: 1,8 Mio Euro). Insgesamt half die Stiftung 4 194 betroffenen Menschen. Für ein Wohnprojekt in Berlin wurden außerdem 971 500 Euro zur Verfügung gestellt. Den ersten Aids-Impfstofftest in Deutschland bezuschusste die Stiftung mit 100 000 Euro.

Bei drei von vier Antragstellern handele es sich um bereits unterstützte Betroffene. Dieser Trend sei vor allem darauf zurückzuführen, dass sich auf Grund neuer Therapiemöglichkeiten die Lebenserwartung verlängert habe. Daher werde auch der Anteil älterer Antragsteller immer höher. Gut 40 Prozent der Hilfesuchenden seien auch Sozialhilfeempfänger.

Deutschlandweite Solidaritäts-Aktion

Mit einer "Nacht der Solidarität" will das "Aktionsbündnis gegen Aids" am kommenden Samstag in mehr als 50 deutschen Städten auf die Lage der Aids-Infizierten aufmerksam machen. "Wir appellieren an die Bundesregierung und die Pharmaindustrie, ihre Verantwortung im weltweiten Kampf gegen Aids stärker wahrzunehmen", erklärte ein Sprecher des Bündnisses aus rund 70 Gruppen am Freitag in Tübingen.

Deutschland müsse seine Hilfe gegen Aids im nächsten Jahr auf 500 Millionen Euro und 2007 sogar auf 700 Millionen Euro steigern, damit es einen fairen Anteil seines Bruttosozialproduktes einsetze, um das Leid von Millionen zu verhindern. Das Entwicklungshilfeministerium gibt nach eigenen Angaben etwa 300 Millionen Euro im Kampf gegen die tödliche Immunschwäche aus.

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