Abschlussmesse in Köln:"Wer Christus entdeckt hat, muss andere zu ihm führen"

Lesezeit: 4 min

Vor einer Million Menschen hat Papst Benedikt XVI. zum Abschluss des Weltjugendtages die Notwendigkeit von Religion und Glaube für den modernen Menschen beschworen.

"Benedetto! Benedetto!" skandierten eine Million junge Leute aus 197 Ländern am Sonntag beim Abschlussgottesdienst auf dem Marienfeld. Es klang wie ein Angebot, und Benedikt XVI. nahm es an, winkte seinen Anhängern zu - aber nur kurz, dann mahnte er sie mit einer kleinen Geste zur Stille, damit der Gottesdienst weitergehen konnte.

"Kathedrale für einen Tag" - das Marienfeld bei Köln am morgen des Abschlussgottesdienstes. (Foto: Foto: Reuters)

Ein Star-Kult liegt dem deutschen Papst nicht, und gerade dafür scheinen die jungen Menschen, die in der Ära Johannes Pauls II. aufgewachsen sind, Benedikt XVI. zu mögen. "Ehrlich gesagt, als ich ihn zuerst im Papstgewand sah, habe ich mich ihm verschlossen", sagte Ewa (19) aus Kanada. Vor drei Jahren war sie beim Weltjugendtag in Toronto dabei. Johannes Paul II. war ihr Idol, und an die Vorstellung, dass er einen Nachfolger haben könnte, wollte sie sich erst nicht gewöhnen.

"Aber jetzt empfinde ich Wärme für den neuen Papst. Ich sehe viel Demut bei ihm. Und ich habe hier in Köln erlebt, wie die Herzen von so vielen Menschen ihm zuströmen. Das hat mich mitgerissen", sagt Ewa. Sie erlebte die Messe auf dem Marienfeld mit, betete mit einer Million Gleichgesinnten und empfing die Kommunion in der "Kathedrale für einen Tag".

250 Hektar ist die Ebene im früheren Braunkohlerevier groß, vom zehn Meter hohen "Papsthügel" schauen Benedikt XVI. und fast 800 Bischöfe auf ein Meer von Menschen hinab.

Wirkliche Verbesserung der Welt sei nur durch den Glauben an die Liebe Gottes möglich. "Nur von dieser innersten Explosion des Guten her, das das Böse überwindet, kann dann die Kette der Verwandlung ausgehen, die allmählich die Welt umformt", sagte er bei der Messe unter wolkenverhangenen Himmel vor den Toren Kölns.

Der Gottesdienst, an dem auch Bundespräsident Horst Köhler, Kanzler Gerhard Schröder sowie Alt-Kanzler Helmut Kohl teilnahmen, bildete den Abschluss des liturgischen Teils und Höhepunkt des viertätigen Weltjugendtages.

Die meisten Jugendlichen hatten trotz kühlen Wetters die Nacht auf dem Gelände des ehemaligen Braunkohleabbaus, dem Marienfeld, verbracht. Sie begrüßten das Oberhaupt der Katholiken mit "Be-ne- detto"-Rufen, als es mit seinem "Papamobil" eintraf.

"Ich wäre gerne mit dem Papamobil durch das ganze Gelände gefahren, um jedem Einzelnen nahe zu sein. Wegen der schwierigen Wege ging es nicht", bedauerte der Papst vor seiner Predigt. Der Papst trug ein goldenes Gewand. Zu Beginn der Messe machte der 78-Jährige einen angespannten Eindruck, hob aber immer wieder die Hände zum Segen.

In einer stark theologisch gehaltenen Rede, bei der er immer wieder auf die Eucharistie (Abendmahl) einging, beklagte Papst Joseph Ratzinger den Mangel an Religiosität in unserer Zeit. "Heute gibt es in großen Teilen der Welt eine merkwürdige Gottvergessenheit."

Theologe durch und durch: Papst Benededikt XVI.. (Foto: Foto: ÂP)

Dies sei Ursache, dass viele Menschen unter Unzufriedenheit und Frustration litten und sich immer wieder fragten: "Das kann doch nicht das Leben sein!" Zugleich warnte Ratzinger aber auch davor, dass die Menschen sich individuell ihre eigene Religion suchen.

Dies führe dazu, dass "Religion geradezu zum Marktprodukt" werde. "Man sucht sich heraus, was einem gefällt, und manche wissen, Gewinn daraus zu ziehen. Aber die selbst gesuchte Religion hilft uns im letzten nicht weiter. Sie ist bequem, aber in der Stunde der Krise lässt sie uns allein." Nur der Glaube an Gott könne dem Mensch wirklich helfen.

Christlicher Glaube bedeute dagegen: "Gewalt wird in Liebe umgewandelt und so Tod in Leben." Christentum bedeute auch "der Sieg der Liebe über den Hass, der Sieg der Liebe über den Tod".

Das Kirchenoberhaupt betonte, wer Christus entdeckt habe, müsse "andere zu ihm führen". "Eine große Freude kann man nicht für sich selbst behalten. Man muß sie weitergeben." Der Papst rief den Jugendlichen zu: "Helft den Menschen, den wirklichen Stern zu entdecken, der uns den Weg zeigt: Jesus Christus."

"Versuchen wir selber, ihn immer besser kennenzulernen, damit wir überzeugend auch andere zu ihm führen können." Deswegen sei es "wichtig, den Glauben der Kirche zu kennen, in dem uns die Schrift aufgeschlüsselt wird".

Es sei "der Heilige Geist, der die Kirche in ihrem wachsenden Glauben immer weiter in die Tiefe der Wahrheit eingeführt hat und einführt." Benedikt XVI. forderte die Pilger weiter auf, "Gemeinschaften aus dem Glauben heraus" zu bilden. In den letzten Jahrzehnten seien Bewegungen und Gemeinschaften entstanden, in denen "die Kraft des Evangeliums sich lebendig zu Worte" melde.

"Sucht Gemeinschaft im Glauben, Weggefährten, die gemeinsam die große Pilgerstraße weitergehen, die uns die Weisen aus dem Orient zuerst gezeigt haben", fügte der Papst mit Blick auf die biblische Erzählung der Heiligen Drei Könige hinzu, deren Reliquien sich im Dreikönigsschrein des Kölner Doms befinden.

"Das Spontane der neuen Gemeinschaften ist wichtig", sagte das Kirchenoberhaupt. Wichtig sei aber auch, "dabei die Gemeinschaft mit dem Papst und den Bischöfen zu halten, die uns garantieren, daß wir nicht Privatwege suchen, sondern wirklich in der großen Familie Gottes leben, die der Herr mit den zwölf Aposteln begründet hat." Benedikt XVI. beschloss seine Abprache mit den Worten: "Gehen wir vorwärts mit Christus und leben wir unser Leben als wirkliche Anbeter Gottes."

Die Jugendlichen des Weltjugendtages verfolgten die Predigt mit großer Konzentration. Während der Rede gab es aber zumeist nur vereinzelten und eher verhaltenen Beifall. Große Ausbrüche des Jubels der Jugendlichen, wie sie bei den Auftritten Johannes Paul II. bei Weltjugendtagen üblich waren, blieben aus. Herzlichen und anhaltenden Applaus gab es erst nach der Papst-Predigt.

Zugleich mahnte der Papst die jungen Leute, am Sonntag die Messe zu besuchen und die Eucharistie zu feiern. "Es ist schön, dass in vielen Kulturen heute der Sonntag ein freier Tag ist ... Aber diese freie Zeit bleibt leer, wenn Gott nicht darin vorkommt."

Zudem rief er die jungen Leute zum sozialen Engagement auf. "Wir dürfen zum Beispiel die alten Menschen nicht ihrer Einsamkeit überlassen, an den Leidenden nicht vorbeigehen." Er fügte hinzu: "Wenn wir von Christus her denken und leben, dann gehen uns die Augen auf, und dann leben wir nicht mehr für uns selber dahin, sondern dann sehen wir, wo und wie wir gebraucht werden."

Nach der Messe wird Benedikt noch am Abend nach Rom zurückkehren. Es ist die erste Auslandsreise des deutschen Papstes seit seiner Wahl vor vier Monaten.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: