Aberglaube in Afghanistan:Die verfluchte Zahl 39

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Der Student Wais Barakzai hat ein großes Ziel: Er will die Zahl 39 von ihrem Fluch befreien - die Nummer gilt in Afghanistan als Sinnbild des Bösen. Ein Gespräch über vermeintliche Zuhälter, Mord und die Schwierigkeiten im Kampf gegen den Aberglauben.

Frederik Obermaier

Wer in Afghanistan mit der Zahl 39 in Verbindung gebracht wird, lebt gefährlich: Er wird angehupt, beleidigt oder geschlagen wegen ihr, zwei Männer sollen sogar schon getötet worden sein. Die Zahl gilt als böse, die Afghanen fürchten sie auf geradezu paranoide Weise. Der Student Wais Barakzai will diesen Aberglauben beenden. Im Internet hat der 21-Jährige aus Kabul eine Kampagne gegen das "falsche Denken über die Zahl 39" ins Leben gerufen.

SZ: Herr Barakzai, mehrere Verletzte nur wegen einer Zahl, das klingt seltsam. Was hat es mit der 39 auf sich?

Barakzai: Viele Afghanen verbinden die Zahl mit der Prostitution.

SZ: Wieso das denn?

Barakzai: In Herat soll es angeblich einen Zuhälter gegeben haben, der ein Autokennzeichen mit der Nummer 39 besaß und in einem Apartment 39 wohnte. Seither ist die Zahl wie verflucht. Jeder, der ein Auto mit dem Kennzeichen 39 fährt, wird als Zuhälter beschimpft. So ein Auto ist nur noch halb so viel wert.

SZ: Man könnte ja einfach ein anderes Nummernschild wählen, und schon wäre das Problem gelöst.

Barakzai: Theoretisch schon. Viele übermalen es auch einfach. Sie machen aus einer 39 eine 29. Aber was sollen die Leute tun, die in einem Haus mit der Nummer 39 wohnen oder die 39 in der Telefonnummer haben? Die Paranoia geht ja sogar so weit, dass 39-Jährige sagen, sie seien "38 plus 1", wenn sie nach ihrem Alter gefragt werden.

SZ: Es soll sogar schon Tote im Zusammenhang mit dem 39-Aberglauben gegeben haben.

Barakzai: Jaja, das habe ich auch gehört. Die Bodyguards von Mullah Tarakhel, einem Parlamentsabgeordneten, sollen zwei Männer erschossen haben. Sie hatten sich angeblich über Tarakhel lustig gemacht - denn er stand auf Listenplatz 39. Aber ob das der wahre Grund für den Mord war? Ich habe da so meine Zweifel.

SZ: Hat Afghanistan nicht ganz andere Probleme?

Barakzai: Klar. Aber sagen Sie das mal unseren Politikern. Die sind total verrückt, was die 39 angeht.

SZ: Ach ja?

Barakzai: In der Loja Dschirga, der großen Stammeskonferenz, haben sie extra die Zahl der Arbeitsgruppen erhöhen müssen - von 40 auf 41. Nur damit es keine Gruppe 39 gibt. Wir machen uns doch zum Gespött der ganzen Welt!

SZ: Und wie wollen Sie das jetzt verhindern?

Barakzai: Ich erkläre den Leuten zum Beispiel, dass es im Koran auch eine Sure 39 gibt. Die Zahl kann also gar nicht so schlimm sein, sonst stünde sie ja nicht in unserer heiligen Schrift. Außerdem verteile ich Sticker mit der Zahl darauf und klebe sie an Bürotüren und Autos.

SZ: Könnte das nicht als reine Provokation verstanden werden?

Barakzai: Selbst wenn, Hauptsache es hilft.

SZ: Und hilft es?

Barakzai: Ich glaube schon.

SZ: Mit Verlaub, aber ihre Facebookgruppe "Let's fight against wrong mentality about number 39 in Afghanistan" hat bislang gerade einmal 487 Mitglieder. 487 von fast 30 Millionen Afghanen. . .

Barakzai: Das wird schon noch. Vielleicht ist auch der Name nicht perfekt - schließlich steckt da auch wieder die 39 drin. Aber hey, das ist doch nur eine ganz normale Zahl!

Interview: Frederik Obermaier

© SZ vom 24.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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