50 Jahre McDonald`s:Schickt sie uns jung, dann gehören sie uns für immer!

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Teriyaki-Burger, Pommes-Pazifismus, Big-Mac-Index: Die Kinder fressen ihre Revolution - ein kulturgeschichtliches Happy Meal zum Phänomen McDonald's.

Am 6. Januar 1971 eröffnete McDonald's sein erstes deutsches Lokal in der Martin-Luther-Straße in München, gegenüber dem Stadion an der Grünwalder Straße. Der Hamburger kostete damals 1,40 Mark, kleine Pommes Frites 90 Pfennig. Die Eröffnung war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Nirgends expandierte der Konzern so schnell wie hierzulande, 1976 gab es bereits 30 Filialen.

Globale Gewinnzone: Japans McDonald's-Chef Den Fujita wird gleich zubeißen. (Foto: Foto: AP)

Als die SZ-Mitarbeiterin Germaine Seeliger im selben Jahr bei McDonald's eine "Kostprobe" nahm, schrieb sie: "Es schmeckt eines wie das andere, und das Sesam-Brötchen eignet sich gewiss zur Füllung eines Plumeaus, so federnd weich und weiß ist es, aber Geschmack hat es nicht. Was ich vor allem für gefährlich halte: Dass sich die Menschheit an eine solche Art Essen einmal gewöhnen könnte."

Etwas andere Buden

Früher, in den achtziger Jahren, war die McDonald's-Gestaltung fest in architektonischer Hand. Deshalb sehen die meisten der etwas anderen Buden eben auch so aus: etwas anders. Nämlich, nach dem Generalentwurf der amerikanischen Architektengruppe "Site", wie ein zerdeppertes Angler-Käppi, das mit den Mitteln des Lego-Baukastens rekonstruiert und mit ein paar überzähligen Pommesstangen stabilisiert wurde.

Doch inzwischen versucht McDonald's immer noch etwas anderer zu werden: Die New Yorker Filialen geben sich wie Lofts, die in Paris wie Bistros und in München glaubt man sich in Westernspelunken oder im Inneren eines Gummibärchen, das zu lange in der Sonne lag. Das Schöne daran: Niemand interessiert sich dafür, wie McDonald's jeweils aussieht, so lange McDonald's immer gleich schmeckt. Die Architektur kann davon nur lernen.

Obst mal ohne, mal mit

Von wegen Einheitsflausch und Standard-Grillette! Niemand verneigt sich so demütig vor fremden Kochtraditionen wie McDonald's. Der Teriyaki-Burger in Japan, der McArabia im Fladenbrot für Kairo, das Mango-Dressing in Sydney, sie alle belegen das tief empfundene Bekenntnis zur Vielfalt, frei nach dem Motto des erfolgreichen Globalisierers: Unterschätze nie die Bedeutung lokaler Geschmacksunterschiede!

Und die sind manchmal so dünn wie eine Apfelschale: In Amerika serviert McDonald's das Obst ohne, in Europa mit Schale, und für die Australier gibt's die Früchte am Stück. Man könnte einwenden, dass McDonald's es fertigbrächte, selbst einen Sauerkraut-Burger und einen Blaubeer-Muffin gleich schmecken zu lassen... aber nicht zum Geburtstag.

Ausgesetzt in Manila

Zum ersten Mal auf den Philippinen. Meine Freundin hat mich mittags in Manila ausgesetzt. Ich habe Hunger. Großen Hunger. Ich suche nach Essen, Frühlingsrollen, ein Hähnchen vielleicht. Daheim ist die asiatische Küche großartig. Aber beim Laden an der Ecke weiß ich nicht, ob die Frau Köchin ist oder Voodoo-Priesterin.

Also zum Straßenverkäufer davor. Der hält mir einen zuckenden Fisch unter die Nase - es bleibt die Flucht ins nächste seriös wirkende Restaurant. In der Karte stehen komische Zeichen, der Kellner spricht nur Tagalog. Es reicht. Ich gehe zu McDonald's. Ein Big Mac ist ein Big Mac. Überall. Und es gibt Bildchen, auf die man deuten kann. Ich bin glücklich. Vielleicht haben sie gerade "Asia Wochen".

Maß aller Währungen

Hätten Ökonomen im Jahr 2000 einen Blick auf den "Big Mac Index" geworfen, hätten sie sofort gewusst: Bei seiner Einführung wird der Euro nicht so stark sein wie erhofft. Nur der Economist warnte die Europäer, schließlich hatte die Zeitung den Index 1986 eingeführt: Statt eines Warenkorbes genügt ein Big Mac, um die Kaufkraft eines Volkes und die Stärke einer Währung zu bewerten - denn er wird in 120 Ländern identisch produziert und nicht exportiert. Ein solches Produkt sollte überall auf der Welt gleich viel kosten.

Tut es aber nicht: Auf den Philippinen legt man umgerechnet 1,23 Dollar auf den Tisch, in der Schweiz über fünf. Daraus lassen sich wirtschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Der Kaffeekocher Starbucks hat versucht, den "Tall-Latte-Index" einzuführen. Funktionierte aber nicht. Starbucks existiert nur in 36 Ländern. Somit bleibt der Big Mac das Maß aller Währungen.

Im Rampenlicht: McDonald`s grillt seit 50 Jahren. (Foto: Foto: dpa)

Überwachte McKlos

McDonald's ist, ebenso wie das Land, dem es entstammt, für jeden einzelnen genau das, was er in ihm erblicken will - ein leeres Gefäß der Sehnsucht. In China haben die Alten McDonald's zu ihrem Refugium erklärt, stundenlang sitzen sie dort, weil sonst keiner mit ihnen redet. In Osteuropa gehört McDonald's den Reichen und Schönen einer wie auch immer entstandenen Elite, und man lässt vorfahren.

Im Herzen des kapitalistischen London sind die McKlos überwacht, weil sich dort sonst Junkies mit Stoff zuschießen. Da, wo McDonald's noch neu ist und das Land arm, da treffen sich die Aufsteiger und solche, die es werden wollen. Diese McSchönen wollen ihrer Heimat in westliche Luxuswelten entfliehen.

Im wahren Westen aber findet sich bei McDonald's schon lange das Untervolk ein, das immer ärmere, tiefer sinkende, allein gelassene. Sie haben schon lange begriffen, dass der Westen das Heil nur ein paar wenigen ermöglicht. So ist McDonald's der letzte wahre Spiegel der Gesellschaft.

Patrioten essen bei McDonald`s

Earn global, act local: Früher brüstete sich das Unternehmen damit, wieviele Länder an einem Hamburger mitarbeiten: Gurke aus A, Senf aus B, Fleisch aus C; betont wurde, dass das Papier in einem Land hergestellt, in einem anderen bedruckt und in einem dritten zugeschnitten wurde.

Heute gibt sich McDonald's als heimisches, ja lokales Unternehmen: 150.000 deutsche Landwirte liefern Rindfleisch, mehr als 2800 Hektar deutscher Boden werden mit McDonald's-Kartoffeln bepflanzt, die 31 Millionen Eier, die McDonald's hierzulande jährlich braucht, stammen alle aus deutscher Freilandhaltung. Und "20 niederbayerische Vertragslandwirte liefern rund 12.000 Tonnen Gurken im Jahr". So steht's im Werbeprospekt. Kann man also in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten überhaupt etwas Patriotischeres tun als zu McDonald's zu gehen?

Fast so bekannt wie das Kruzifix

Seltsam, dass McDonald's noch keine Filiale im Himmel hat. Sind die BurgerMonopolisten vielleicht doch nicht allmächtig? Immerhin: Das Emblem des Endlos-Fressfließbandes, die "Golden Arches", speisen sich nicht nur aus dem Initial "M", sondern sind auch ein seit der Antike gebräuchliches Zeichen für die Eroberung des Himmels: Die römischen Triumphbögen oder die freischwingenden Betonhallen des frühen 20. Jahrhunderts symbolisieren ja ebenfalls nichts anderes als eine Selbstermächtigung nach dem Motto: Wir kommen überall hin.

Und diese Pathosformel des Himmelsbogens findet sich bei McDonald's auch noch doppelt gemoppelt! Eins haben sie mit ihrem Logo aber schon geschafft: Es ist das bekannteste der Welt - nach Coca Cola und dem Kruzifix.

Höllentor der Popkultur

McDonald's ist das wahre Höllentor der Popkultur, die Initialzündung schlechthin. Wobei sich der Erfolg den Jesuiten verdankt. Von denen stammt die Formel: "Schickt sie uns jung, dann gehören sie uns für immer!"

Nur fehlte zur Perfektion dieser Formel noch das Happy-Meal-Konzept: Gebt zu Softdrink und Fastfood noch ein Glaubensbekenntnis in Form eines Plastik-Monsters, dann gehören sie euch für immer und mindestens ewig.

Wer kleine Kinder hat, weiß, dass es wahr ist. Im Kindergarten fängt es an, irgendein Kind hat plötzlich einen Mini-Ghetto-Lärmer in Form einer grellen Plastikkugel, aus der "Die perfekte Welle" dröhnt. Damit haben sie automatisch alle. Auch jene Kinder, die bislang ausschließlich mit linksdrehenden Biokarotten ernährt wurden. Popkultur, das reine Prinzip des "Ich auch, ich auch", so lernt man bei McDonald's, geht durch den Magen und höret nimmer auf.

"Rotze auf dem Grill"

1986 klagte McDonald's gegen Günter Wallraff, der sich in einer Filiale verdingt und danach über diese Zeit in seinem Buch "Ganz unten" geschrieben hatte. Wallraff durfte nach dem Prozess nicht mehr behaupten, dass "das Rindfleisch in den Hamburgern hochresistente Salmonellen (enthält) und durch Wassereinlagerungen aufgemotzt" wird.

Weiterhin behaupten dagegen durfte er diese beiden Sätze "In der Küche ist zuweilen Rotze auf dem Grill" und "Aschenbecher und Tische werden mit demselben Lappen geputzt wie Toilettenbrillen."

Essen ohne Seele

Es war einmal eine Zeit, da zelebrierten stolze maîtres de cuisine ihre Einzigartigkeit in einem amuse geule. Sie hauchten noch den primitivsten Zutaten eine Seele ein. Maître war Gott, und Gott war Maître.

Pilger suchten Erlösung in ihren Tempeln, in denen sie sich von den Maîtres verwöhnen und sich hinauswerfen ließen, nur weil sie nach etwas Würze verlangt hatten. Maîtres waren stets allein und oft schlechter Laune, und es war gut.

Dann kam die Revolution, und die Götter wurden gestürzt. Die letzten dieser stolzen Einsamen sind heute verbannt in die Täler des Schwarzwaldes und die Hügel Kaliforniens. Essen wird nicht mehr geschaffen, sondern produziert, in Masse und am Fließband nach dem Vorbild Henry Fords: Brotboden. Flachfleisch. Gurke. Senf. Ketchup. Brotdeckel. Brotboden. Flachfleisch. Gurke. Senf. Ketchup. Brotdeckel.

Keine Seele wird mehr eingehaucht, doch das Band bleibt nie stehen. Statt eines Maîtres gibt es austauschbare Hilfswerker, jeder Burger ist die Summe seiner zugelieferten Teile. Niemals mehr. Und es ist gut. Die Kinder fressen ihre Revolution.

Mensch wird zum Barbaren

Das Erfolgsgeheimnis von McDonald's muss als ein Paradox beschrieben werden. Es ist die Kombination von Archaik und Standardisierung. Das archaischste unserer Bedürfnisse, der Hunger, wird auf die denkbar gröbste Weise befriedigt: Ohne distanzierende und zivilisierende Hilfsmittel, mit bloßen Händen schaufelt man eine ziemlich große Menge Zucker, Eiweiß und Fett in sich hinein, wobei die Duftschwaden der Fritteuse uns an die Feuerstelle vor der Steinzeithöhle zurückversetzen.

Um aber zu diesem regressiven Vergnügen zu kommen, muss sich der Konsument in ein hochmodernes Verfahren einordnen, das auf Effizienz, Konfektionierung und Arbeitsteilung abstellt. Am Fließband der industriellen Gastronomie wird der Mensch wieder zum Barbaren.

Optimal ernährt?

Beim Betreten einer Filiale treibt der Geruch des Burger-Menüs - tausend Kalorien, angereichert mit appetitfördernden Fetten und Glutamaten - den Pawlowschen Speichel in den Mund. Doch Schadensersatzklagen und der Film "Super Size Me" waren ein Schlag in die Magengrube von McDonald's.

Mit Salatangeboten und Wellnessbibeln will sich der Konzern jetzt von dem dick-und-ungesund-Image verabschieden. Kennen Sie Bob Green? Der Mann wurde von McDonald's als personal trainer engagiert, damit Amerika wieder schlank und fit wird. Die optimale Ernährung, so behauptet er, liefere sein Arbeitgeber praktischerweise gleich mit.

Pax Big Mac widerlegt

McDonald's bietet nicht nur eine effiziente Form der Nahrungsaufnahme, es ist auch ein Zivilisationsprinzip. Keine zwei Länder mit McDonald's-Filialen würden je Krieg miteinander führen, erklärte der Journalist Thomas Friedman 1996. Und das nicht nur, weil die zuckerhaltigen Produkte die Kampfbereitschaft der Jugend schwächten. Doch seit der Bombardierung Belgrads durch die Nato ist diese Pax Big Mac widerlegt. Der Pommes-Pazifismus war vielleicht doch zu globalisierungsoptimistisch.

© SZ vom 15.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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