17-Jähriger in der Türkei in Haft:Prüfungstag ohne Marco

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"Wir hoffen, dass er bald wieder da ist" - an der Schule des 17-jährigen Marco herrscht Unverständnis über seine Verhaftung.

Die mündliche Prüfung in Physik hätte Marco heute absolvieren sollen - in einem der kühlen Klassenzimmer hinter den Backsteinmauern der Sternschule im niedersächsischen Uelzen. Doch statt seinen Realschulabschluss zu bauen, sitzt der 17-Jährige im türkischen Antalya seit zehn Wochen hinter Gittern.

Schulleiterin Elke Schießer versteht die Welt nicht mehr. "Marco ist ein netter, freundlicher Junge, überhaupt kein Aufreißer", sagt sie. Dass ihm sexueller Missbrauch einer 13-jährigen Britin vorgeworfen wird, will Schießer nicht in den Kopf. "Höchstwahrscheinlich hat er sich völlig verliebt unter südlicher Sonne."

Die Schule hat beschlossen, alles dafür zu tun, dass Marco seinen Abschluss an der Sternschule nachholen kann. "Wir werden das regeln", sagt Schießer, die Marco unter anderem in Geschichte und Politik unterrichtet.

Keine Antwort von den Behörden

Mitte April, als die Öffentlichkeit noch nichts von seiner Verhaftung wusste, hatte das Kollegium einen Brief an die türkischen Behörden geschrieben. Sie baten darum, den 17-Jährigen wenigstens für die Zeit seiner Abschlussprüfung freizulassen. Eine Antwort haben sie nie erhalten.

"Dass der Junge so lange im Gefängnis bleibt, hätten wir nicht für möglich gehalten, sagt Schießer.

Nicht nachvollziehen kann die Direktorin die Reaktion der Eltern der jungen Britin, die Marco angezeigt hatten. "Natürlich wäre ich auch wütend, hätte aber erst einmal mit den Eltern geredet", sagt Schießer.

Aus einem Gespräch mit Marcos Eltern habe sie erfahren, dass das britische Ehepaar eine Aussprache abgelehnt hätte. Sie glaubt Marco auch, dass sich die 13-Jährige als 15-Jährige ausgegeben hat. "Wir haben auch 13-jährige Schülerinnen bei uns, die sehen geschminkt wie 16 oder 18 aus."

In Marcos Klassenzimmer lässt die Schule die Medien nicht hineinschauen. Dort hängen selbstgebastelte Poster mit Aufschriften wie "Marco, wir denken an dich!" als moralischer Beistand. Außerdem dürfen die Schüler aus dem Schulbüro Faxe in die Türkei schicken.

"Marco ist recht sensibel und oft noch kindlich, er versteht gar nicht, was da los ist", glaubt Schießer.

"Wir hoffen, dass er bald wieder da ist"

Unter den Schülern der kombinierten Grund- und Hauptschule ist der Fall Marco in den Pausen natürlich ein Gesprächsthema. Die Älteren kennen den 17-Jährigen als überaus hilfsbereiten Mitschüler. "Wenn jemand Probleme hatte, konnte er immer zu Marco gehen, er hat das immer geklärt", sagt die 14-jährige Alexandra. "Wir hoffen, dass er bald wieder da ist."

Die 15 Jahre alte Nadine hat Marco auch nicht als rücksichtslosen Draufgänger kennengelernt, charakterisiert ihn als "sehr zurückhaltend". Dass ein Minderjähriger ins Gefängnis geworfen wird, findet der 15-jährige Lars erschreckend. "Man müsste eigentlich Unterschriften sammeln."

Die Sternschule plant, Marcos Familie mit der Aufführung eines Musicals finanziell zu unterstützen. "Ich weiß, dass die Eltern ganz am Ende sind, denen wächst das über den Kopf", sagt Schießer.

Sie hofft, dass Marco am 6. Juli vor Gericht freigesprochen wird. Am gleichen Tag soll an der Sternschule die Abschlussfeier für die Absolventen stattfinden.

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