Zwölfter Prozesstag:Historiker entlastet Niznansky

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Ein slowakischer Museumsleiter attestiert dem Angeklagten, er habe damals als Dolmetscher gearbeitet. Somit habe der mutmaßliche Kriegsverbrecher nur Befehle übersetzt - nicht erteilt.

Von Alexander Krug

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky ist von einem slowakischen Historiker zum Teil entlastet worden. Jan Stanislav, Leiter des Museums des slowakischen Nationalaufstandes in Banska Bystrica, gab gestern am zwölften Prozesstag sein Gutachten ab.

Niznansky wurde von einem weiteren Zeugen entlastet. (Foto: Foto: AP)

Aufgrund von Aussagen stehe wohl fest, dass Niznansky bei den Einsätzen gegen die Dörfer Ostry Grun und Klak dabei gewesen sei. Er habe jedoch nur Befehle seiner deutschen Vorgesetzten übersetzt und nie eigene erteilt. Stanislav musste jedoch konzedieren, dass er einen Großteil ausländischer Quellen bisher nicht auswerten konnte.

Niznansky ist angeklagt, an Massakern in drei slowakischen Dörfern im Januar und Februar 1945 teilgenommen zu haben, bei denen insgesamt 164 Menschen ermordet wurden. Als Hauptmann befehligte er eine 131 Mann starke slowakische Abteilung innerhalb der Einheit "Edelweiß", die zur Partisanenbekämpfung eingesetzt wurde.

Nach dem Gutachten des Historikers war der Einsatz lange vorbereitet worden und eine Reaktion auf die Erschießung von einigen Vertretern der deutsch-freundlichen Hlinka-Partei gewesen.

Stanislav betonte, dass "Edelweiß" nicht nur aus einer slowakischen, sondern auch aus einer kaukasischen (moslemisch geprägten) und einer kosakischen Abteilung bestand, deren Tätigkeit bislang nur wenig erforscht sei. Diese etwa 100 Männer seien "besonders professionell" gewesen und hätten dem Edelweiß-Kommandeur Major Erwein Graf Thun-Hohenstein direkt unterstanden.

Vor allem diese Männer hätten sich an den Massakern beteiligt, vermutet Stanislav. Die slowakische Abteilung habe sich fast alles aus Katholiken rekrutiert, viele hätten daher nach jeder Aktion eine Beichte abgelegt. Ihn habe stutzig gemacht, dass die Kirche in Klak zerstört worden sei. Dies sei ein klares Indiz für die Täterschaft der moslemischen Abteilung.

Stanislav erwähnte auch die bislang unbekannten Aussagen von vier Angeklagten in einem Prozess 1963 in der Slowakei. Die Männer hatten damals übereinstimmend ein Massaker an 18 Juden geschildert, die sich bei Ksina in einem Erdloch versteckten, aufgespürt und hingerichtet wurden. Der Befehl dazu sei ausdrücklich von Graf Thun-Hohenstein gekommen, so Stanislav. "Keiner hat Niznansky erwähnt."

Über die moralische Verantwortung Niznanskys wurde indes heftig gestritten. Der Angeklagte hatte geltend gemacht, 1944 unter Todesdrohungen zum Eintritt in die Einheit "Edelweiß" gezwungen worden zu sein. Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer hielt ihm jedoch mehrere Dokumente vor, wonach es keinen Zwang gab.

Niznansky selbst hatte bei einer Vernehmung 1965 in München erklärt, er sei aufgrund seiner Verdienste für die Wehrmacht im Russlandfeldzug ausgewählt worden. Sein slowakischer Vorgänger war von den Deutschen abgesetzt worden, weil er offenbar Skrupel hatte, gegen Landsleute zu kämpfen. Der Prozess wird am 28. Oktober fortgesetzt.

© SZ vom 20.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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