Zwei Münchner unterwegs:Radltour zum Himalaya

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"Der Weg ist das Ziel", mit diesem Motto im Gepäck machten sich zwei Münchner mit ihren Mountainbikes auf den Weg. Ohne nennenswerte Vorbereitung schafften sie es bis nach China - aufgehalten nur durch ein paar Speichenbrüche.

Von Jan Grossarth

Der Brillenträger mit Wuschelfrisur erzählt etwas gequält von seinem ganz großen Reiseerlebnis. "Das Reden wird schon irgendwann anstrengend", sagt Florian Kurig, ein Münchner Schreiner mit zehnmonatiger Welterfahrung. Denn seit er von einer Mammutradtour zurück ist, ist er als Redner auf Diavorträgen gefragt. Alle wollen wissen: Wie freundlich ist Rumänien, was trägt die Frau in Afghanistan, wie bunt schillert Pakistan, und wie riecht der Himalaya? Der 27-Jährige weiß es, denn er ist mit seinem Freund und Arbeitskollegen David Wagner 10.500 Kilometer geradelt; zwei mittelmäßig ausgestattete Mountainbikes führten die beiden vom Bodensee bis nach Nepal.

(Foto: Foto: Florian Kurig)

Organisiert? Nein, das hätten sie nicht in übertriebenem Maße, sagen die beiden. "Denn die Karawanen wissen ja auch nicht immer, wo es langgeht." Auch sind sie keine passionierten Extrembiker, vor der Nepalreise war keiner weiter als eine Tagestour gerollt. "Unsere Philosophie war, sich einfach so treiben zu lassen - mit dem großen Ziel China", sagt David Wagner, ein sympathischer Blonder, der gerade im Schneidersitz an einem Pizzastück knabbert. "Wir wollten mit dem Fahrrad reisen, damit man all die Übergänge sieht, die Feinheiten am Rande."

Erst hieß das Ziel Peking, kurz nach dem Himalaya entschlossen sich die beiden Tibet und Nepal anzusteuern. Die nötigen Visa holten sie sich jeweils in den Hauptstädten des Vorlandes ab. Nur in Turkmenistan durften sie nicht einreisen, was die zwei Münchner zu einer abenteuerlichen Umleitung über Afghanistan zwang (doch auch das passte nicht schlecht, schließlich haben die beiden ihre Tour fast prophetisch von vornherein ,,Umleitung" getauft; endlose Reiseberichte gibt es auf www.umleitung.org).

März 2003, die beiden starten in Donaueschingen in ein ungewisses Jahr. 60 Kilo Gepäck, ein Zelt, einige Landkarten, keine exotischen Sprachkenntnisse. Bald beginnt der Irakkrieg, die beiden setzen ihre Tour trotzdem in Richtung Orient fort.

April, Ankunft im Mittelalter, in Rumänien wohnen die Radler in orthodoxen Klöstern: "Alles superfreundliche Menschen dort." Im Mai wird es Hochsommer, in Istanbul bleiben sie gleich drei Wochen, auf Bayern 3 hören sie via Weltempfänger, dass im Irak die Waffen schweigen. In jedem türkischen Dorf spricht einer Deutsch: "Habe Schwager in Gelsenkirchen" oder "War vier Jahre in Wolfsburg" sind die Grußformeln. Also etwas sorgloser weiter in Richtung Iran!

"Dort ist dann plötzlich trotz der Hitze Schluss mit kurzen Hosen", erzählt Florian, immerhin kostet in Teheran die Nacht im Hotel nur 2,30 Euro. Juni, Willkommen in den 60er Jahren: David und Florian widerstehen Opium, trinken mit jungen Iranerinnen Milchshakes. "Teheran ist viel moderner, als man glaubt, überall gibt es diese Milchbars - wie früher bei uns. Da sitzen junge Pärchen und halten Händchen, gar kein Problem." Umleitung via Kabul

August. Weil Turkmenistan keine Visa herausrückt, führt kein Weg an Afghanistan vorbei, vorsichtshalber fahren die zwei mit dem Bus nach Kabul, überall in dem konservativen Land stehen Männer mit Kalaschnikows. Im September überqueren die Trekking-Touristen schneeumweht den weltweit höchsten Grenzübergang am Rande des Himalaya, 4.800 Meter über dem Meer, nach China. Bis Januar bleiben die beiden in Nepal, das eindrucksvolle Panorama habe für die mangelhafte Gastfreundschaft der scheuen Asiaten entschädigt, sagen sie. Was so eine Tour kostet? "Weniger als ein Jahr München", lacht Florian Kurig. Und zwar: 4.500 Euro pro Person.

Je länger sie erzählen, desto spannender wird ihr Bericht. Auf ihrem PC haben sie mehr als 6.000 Fotos von der großen Reise. 10.500 Fahrrad- und 4.000 Buskilometer, zwölf Länder, sechs Speichenbrüche - zwei typische Resümees von Weltreisenden: ,,Jetzt zweifle ich schon ein bisschen, wie die Dinge hier bei uns laufen, das Materielle, man hat ja kaum noch Zeit füreinander, aber ich sehe auch die Vorteile, unser Sozialsystem zum Beispiel", sagt David Wagner.

Und Florian Kurig versichert: ,,Wir haben überall so viel Gastfreundschaft erfahren, dass wir uns auf die Fahne geschrieben haben, das weiterzuerzählen." Ob die beiden in den zehn Monaten nicht einmal ausgeraubt wurden? Nein, sagen sie - doch vielleicht verschweigen sie auch die Schattenseiten der Tour. Weil sie so viel Gutes erlebt haben.

© SZ vom 3.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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