Zwei Amerikaner in München:"Der Krieg ist die Motivation für meine Wahl"

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Zwei in München lebende Amerikaner gehen zur Wahl: Dorian Dave Dowdy, Unternehmensberater und Chef der Münchner "Democrats abroad", wählt Kerry. Christopher Magyar, Übersetzer und Vorsitzender des American German Business Clubs, wählt Bush.

Moderation: Jan Bielicki

SZ: Dürften die Deutschen den amerikanischen Präsidenten bestimmen, würden laut einer Umfrage 80 Prozent den demokratischen Herausforderer John F. Kerry wählen, nur neun Prozent den republikanischen Amtsinhaber George W. Bush. Warum, denken Sie, ist das so?

Christopher Magyar: Umgekehrt würden die Amerikaner sicher nicht Schröder wählen. Da herrscht eine Kluft zwischen Deutschland und den USA.

Dorian Dave Dowdy: Die Deutschen haben sicherlich ein bisschen Angst vor George Bush und seiner Regierung. Der Mann ist in ihren Augen unglaubwürdig, und er ist unberechenbar. Das schätze ich ja in der deutschen Politik: Die Politiker mögen sich streiten, aber ihre Politik ist weitgehend berechenbar. Die Deutschen können Bush einfach nicht verstehen. Was sie sehen, ist die Arroganz, die er an den Tag legt.

SZ: Spielt im Wahlkampf überhaupt eine Rolle, was Nicht-Amerikaner von den Kandidaten halten?

Magyar: Es spielt keine Rolle. Was interessiert die Amerikaner, ob Europa sie und ihren Präsidenten missgünstig anschaut? Dann wählen sie ihn erst recht.

Dowdy: Das glaube ich auch. Der typische Amerikaner schaut kaum über den lokalen Tellerrand hinaus. Das muss ich meinen Landsleuten vorwerfen: Was andere denken, ist den meisten wurst.

Magyar: Aber zu Recht! Ich halte nichts davon, dass man seine Nase in die Angelegenheiten anderer steckt. Die Amerikaner werden allein entscheiden, wer am besten ihre Interessen vertritt.

SZ: Was bewegt Sie als Amerikaner, die Sie schon lange in München leben, zu Ihrer Wahlentscheidung?

Magyar: Als ich letzte Woche per Briefwahl abgestimmt habe, hat mich ein einziges Motiv bewegt: der Krieg. Ich habe bislang fast immer für die Demokraten gestimmt. Aber dieses Jahr ist es anders.

SZ: Sie haben Bush gewählt?

Magyar: Innenpolitisch halte ich Bush für eine Katastrophe. Wirtschaftspolitisch halte ich ihn für eine Katastrophe. Aber es gibt für die Amerikaner momentan wichtigere Dinge: den Krieg und die nationale Sicherheit. Es darf nicht sein, dass Amerika noch einmal so angegriffen wird wie am 11. September 2001.

Dowdy: Auch mich bewegt der Krieg. Gerade deshalb stimme ich für Kerry. Denn wir hätten den Krieg nicht beginnen dürfen. Es war der falsche Krieg und der falsche Gegner. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak und keine Terroristen. Die Terroristen waren in Afghanistan. Jetzt haben wir dort ein zweites Vietnam, und Bush hat keinen Plan, wie wir da je herauskommen.Wichtig für meine Entscheidung war allerdings auch Bushs Innenpolitik und seine Steuerpolitik - eine Katastrophe, da stimme ich Christopher zu.

SZ: Glauben Sie, dass Kerry im Irak etwas anders machen könnte?

Dowdy: Wahrscheinlich nicht. Aber ein Präsident Kerry hätte bessere Voraussetzungen. Er hat das Debakel im Irak nicht angerichtet. Die Welt würde ihm eher glauben, dass er es ernst meint, wenn er auf andere Länder zugeht.

Magyar: Die Franzosen und die Deutschen haben doch schon gesagt, dass sich ihre Irak-Politik nicht ändern wird. Und ich bin überzeugt, dass der Irak-Krieg unvermeidlich und richtig war. Saddam Hussein hatte Massenvernichtungswaffen, er hat Giftgas bereits gegen Kurden eingesetzt. Er hat bis zuletzt Katz und Maus mit den UN-Inspektoren gespielt. Amerika musste einschreiten.

SZ: Was befürchten Sie, wenn der nächste Präsident Kerry heißen würde?

Magyar: Kerry wechselt ständig seinen Standpunkt. Er sendet gemischte Signale aus, und wenn er solche gemischten Signale an den Feind schickt, ist das sehr gefährlich. Terroristen glauben, sie könnten mit ihren Attentaten etwas bewegen in der amerikanischen Politik, sogar einen Präsidenten stürzen, Terrorismus lohnt sich. Er darf sich aber in Amerika nicht lohnen, und dafür steht Bush.

SZ: Warum schreckt Sie eine Wiederwahl Bushs?

Dowdy: Er ist angetreten, als "mitfühlender Konservativer" die Mittelschicht zu stärken. Statt dessen hat er Politik für den rechten Rand Amerikas gemacht. Er hat die Defizite in Haushalt und Leistungsbilanz auf Rekordhöhen geschraubt. Und dann hat er nach dem 11. September 2001 ein Mandat bekommen, den Terrorismus zu bekämpfen. Das hat er missbraucht. Er hat mit seinen Anti-Terror-Gesetzen die Rechte der Bürger weit tiefer beschnitten als notwendig. Wir haben viele Freiheiten verloren, und ich fürchte, dass wir unter Bush in den nächsten vier Jahren noch mehr verlieren könnten.

Magyar: Ich fühle mich in meiner Freiheit nicht eingeschränkt. Man steht im Flughafen länger Schlange, man muss sich zur Kontrolle die Schuhe ausziehen und sein Gepäck röntgen lassen. Dass ist alles notwendig, und wir hätten diese Maßnahmen besser schon am 10. September 2001 eingeführt.

Dowdy: Gut, als Amerikaner reise ich genauso problemlos durch Amerika wie vorher. Mir geht es auch um die vielen europäischen Geschäftsleute, die jetzt dumm angesprochen und gegängelt werden. Da wird mit übertriebener Härte eine gegen Amerika Stimmung geschürt.

SZ: Es heißt, diese Wahl habe eine tiefen Kluft zwischen zwei politischen Kulturen Amerikas offenbart. Stimmt das?

Dowdy: Auf alle Fälle. Es gibt keine Zusammenarbeit mehr zwischen Demokraten und Republikanern, wie sie früher üblich war. Die Republikaner unter Bush haben nie Kompromisse gesucht, sondern setzen ihre Ziele mit aller Brutalität durch. Das ist der Grund, warum Amerika polarisiert ist. Jetzt schicken die Republikaner 30000 Anwälte aus und die Demokraten 25000, um aufzupassen, dass bei der Wahl nicht geschoben wird wie in Florida vor vier Jahren. Das gab es noch nie. Aber das geschieht, weil man Bush nicht trauen kann.

Magyar: Solche Polarisierungen hat es in den letzten 50 Jahren oft gegeben. Den Demokraten nehme ich übel, dass sie das Trauma, das sie vor vier Jahren mit ihrer knappen Niederlage erlitten haben, nun am Präsidenten auslassen. Damals haben sie sich sicher gefühlt, dass Amerika nicht für den Cowboy Bush, sondern für den smarten Al Gore stimmen würde. Die Demokraten waren arrogant und bequem. Ihre Wut ist jetzt in irrationalen Hass auf Bush umgeschlagen. Sogar bei der Wahl ihres Kandidaten ging es nicht mehr darum, wer der Beste ist, sondern nur noch um die Frage: Wer kann Bush schlagen? Das ist keine Politik, nur noch Machtstreben.

Dowdy: Stimmt: ABB, anybody but Bush, Jeder außer Bush. Aber wir Demokraten haben uns schon die besten Leute herausgepickt. John Kerry hat viel Weitsicht bewiesen, als er John Edwards zum Stellvertreter erwählt hat, einen sehr guten, charismatischen Mann.

Magyar: Sollte Edwards in vier Jahren als Präsidentschaftskandidat antreten, wähle ich wieder die Demokraten.

Dowdy: Ach, dann kommt doch Hillary Clinton! Aber Spaß beiseite: Wir wollen jetzt gewinnen und Kerry statt Bush.

SZ: Wer gewinnt am 2. November?

Dowdy: Es wird wieder ganz knapp. Ich sehe Bush auf einem absteigenden, Kerry auf einem aufsteigenden Ast. Ich glaube, dass er gewinnen kann.

Magyar: Vor der letzten Wahl habe ich öffentlich vorausgesagt, dass Al Gore sicher gegen George Bush gewinnen wird. Ich wage keine Prognose mehr.

© SZ vom 30.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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