Zur Aufklärung unnatürlicher Todesfälle:Gründlichere Leichenschau gefordert

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"Oft wir nicht so genau hingeschaut": Die Bundesärztekammer geht davon aus, dass jährlich 2400 Tötungsdelikte unentdeckt bleiben. Die Grünen fordern mehr Obduktionen, um Pflegefehler aufzudecken.

Sven Loerzer

Eine Reform der ärztlichen Leichenschau haben die Grünen im Landtag gefordert, um Pflegefehler und Vernachlässigung alter Menschen aufzudecken. In Bayern würden nicht einmal Daten zu ungeklärten oder unnatürlichen Todesfällen gesammelt, kritisiert die sozialpolitische Sprecherin, Renate Ackermann.

Wie die SZ berichtete, hat die Münchner Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich in einer Studie nachgewiesen, dass in den letzten zehn Jahren 28 Menschen durch sogenannte Fixierungen starben, überwiegend durch fehlerhaften Einsatz von Bettgittern und Gurtsystemen.

Berzlanovich tritt dafür ein, die Zahl der Obduktionen mindestens zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Während in Bayern nur acht Prozent der Toten obduziert würden, seien es in Wien etwa 40 Prozent: "Das schreckt ab, etwas zu vertuschen oder schlampig zu arbeiten." So gebe es in Wien auch "deutlich weniger Todesfälle durch Fixierungen".

Angehörige erwarten die Attestierung eines natürlichen Todes

Wien leiste sich überdies einen Pool von fest bei der Stadt angestellten Leichenschau-Ärzten. Eine sorgfältige Feststellung der Todesursache habe auch präventiven Charakter zum Schutz von Lebenden, betonte Renate Ackermann und zitierte einen Spruch: "Wenn auf dem Grab jedes Ermordeten ein Lichtlein brennen würde, wären unsere Friedhöfe hell erleuchtet." Die Bundesärztekammer gehe davon aus, dass jährlich 2400 Tötungsdelikte unentdeckt bleiben.

Bereits 2006 habe die CSU-Landtagsmehrheit abgelehnt, den von den Grünen geforderten Ärztepool von Spezialisten für die Leichenschau einzurichten, so Ackermann. Die Grünen fordern deshalb, die Ärzte wenigstens besser für die Leichenschau zu qualifizieren: "Die nötigen Kenntnisse werden in der Ausbildung der Ärzte bisher kaum vermittelt."

Außerdem sollte die Leichenschau nicht von dem behandelnden, sondern von einem zweiten Arzt vorgenommen werden. "Oft wird nicht so genau hingeschaut, etwa wenn ein Arzt immer in dem gleichen Heim tätig ist", sagt die Grünen-Politikerin. Da wolle er sich "Ärger ersparen". Angehörige oder Heimleitung erwarteten von ihm die Attestierung eines natürlichen Todes.

Hinzu kommt, dass der behandelnde Arzt, wie Andrea Berzlanovich erklärt, meist nicht mehr über mögliche andere Todesursachen nachdenkt, wenn zum Beispiel schon länger ein Herzproblem bei dem Verstorbenen bestanden habe. Als Todesursache werde dann sehr schnell Herzversagen attestiert.

In mehreren Anträgen fordern die Grünen nun eine umfassende Reform der Leichenschau, um die Entdeckungsrate für unnatürliche Todesursachen signifikant zu erhöhen.

© SZ vom 28.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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