Zeugin nicht vernehmungsfähig:Sturzbetrunken ins Gericht

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Alexander Krug

Der Richter ist wenig erbaut, nimmt es aber eher schicksalsergeben. "Fünf Promille werden wir heute schon da haben", bemerkt er nüchtern mit Blick auf die Zeugen, die sich vor dem Saal des Landgerichts versammelt haben.

Ein schwerer Alkoholdunst liegt über dem Eingangsbereich, und die Justizbeamten haben alle Hände voll zu tun, die angeschlagene Klientel einigermaßen in Griff zu bekommen. Besonders zu kämpfen haben sie mit Brigitte S., 49, die partout ihre Wut auf den Angeklagten los werden will - was man durchaus nachvollziehen kann: Immerhin hat der ihr ein 14 Zentimeter langes Messer nahe des Herzens in die Brust gerammt.

Doch der Reihe nach: Auf der Anklagebank sitzt der arbeitslose Peter H. Eigentlich müsste sich der 53-Jährige wegen versuchten Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten. Doch die Staatsanwaltschaft hat ihn "nur" wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, weil sie von einem sogenannten Rücktritt ausgeht.

Nach Attacke den Notarzt verständigt

Danach geht bei einem Tötungsversuch derjenige straffrei aus, der "die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert". Peter H. hat zwar mit dem besagten Küchenmesser zugestochen, doch er hat sich danach um Hilfe gekümmert und den Notarzt verständigt.

Brigitte S. überlebte letztlich dank der Kunst der Ärzte. Die 49-Jährige ist vom langjährigen Alkoholmissbrauch ebenso gezeichnet wie der Angeklagte. Beide lebten in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Großhadern, und dort kam es immer wieder zu - teils handgreiflichem - Streit. An jenem 1. Dezember ging es um 345 Euro, die Peter H. als Hartz-IV-Empfänger gerade abgeholt hatte.

Zeugin nicht vernehmungsfähig

"Ich weiß auch nicht, was da gerade in mich gefahren ist", sagt Peter H. lapidar, "wenn zwei saufen, kommt eben nichts Vernünftiges bei heraus." Brigitte S. habe seinen Mandanten des Öfteren "in Rage" versetzt, assistiert sein Anwalt Alexander Eckstein. Ihr ständiger Vorwurf: Peter H. lebe wie ein Parasit von ihr.

Und dann kommt, besser gesagt schwankt Brigitte S. in den Saal. "Dieser Mann war meine große Liebe", ruft sie und steuert direkt auf den Angeklagten zu. Zwei Wachtmeister halten sie zurück, Brigitte S. wird ärgerlich: "Ich will ihn doch nur fragen, warum er mir das angetan hat." Der Richter zieht einen Landgerichtsarzt hinzu.

Der bescheinigt der Zeugin, nicht vernehmungsfähig zu sein. Brigitte S. wird wieder hinauskomplimentiert, auf ihre Aussage wird verzichtet. Peter H. wird zu vier Jahren Haft verurteilt, außerdem ordnet das Gericht seine Unterbringung in einer Entzugsklinik an.

© SZ vom 21.08.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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