Zeuge im Niznansky-Prozess:"Der Hauptschuldige war der Krieg"

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Ein ehemaliger slowakischer Staatsanwalt hat als Zeuge ausgesagt. Die Täter tragen aber auch Schuld. Am Freitag entscheidet das Gericht, ob Niznansky aus der Untersuchungshaft entlassen wird.

Von Alexander Krug

Sein Auftritt war mit Spannung erwartet worden: Erstmals hat gestern ein ehemaliger slowakischer Staatsanwalt vor einem Münchner Gericht ausgesagt. Martin Kovac, 71, wurde zu dem Ermittlungsverfahren befragt, das 1962 in der damaligen Tschechoslowakei gegen den jetzt in München angeklagten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky lief.

Niznansky war seinerzeit in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Kovac wehrte sich jetzt gegen Vorwürfe, es habe sich damals um einen "kommunistischen Schauprozess" gehandelt. "Niemand hat uns behindert, niemand hat von Außen in das Verfahren eingegriffen", versicherte der Zeuge.

Der heute 71-Jährige war damals als "Neuling" in der Behörde und sei anfangs "ziemlich unsicher" gewesen. Um 1960 herum habe er erstmals von den Vorwürfen gegen Mitglieder der berüchtigten Gruppe "Edelweiß" gehört. Ein Angehöriger der Truppe habe in einem Wirtshaus mit seinen Erlebnissen geprahlt, daraufhin habe sich die Staatssicherheit eingeschaltet.

Er habe insgesamt etwa 350 Mitglieder von "Edelweiß" ausfindig gemacht und Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Dass letztlich 1962 nur 14 Mitglieder verurteilt worden seien, zeige, dass man nur "objektive" Beweise zugelassen habe. Viele Verfahren seien eingestellt worden, weil man keine konkreten Tatumstände mehr habe feststellen können.

Selbst bei manchen Mord-Geständnissen habe man von einer Ahndung abgesehen, weil man die Toten nicht mehr finden beziehungsweise identifizieren konnte. "Es hat mich geärgert und befremdet, dass hier von einem 'inszenierten Prozess' gesprochen wird", so Kovac.

"Eine Menge" Taten gab es

Mehrere Angehörige von "Edelweiß" hätten sich damals "sehr geschämt" über ihre Taten, von denen es "eine Menge" gab. An ihrer Schuld bestehe kein Zweifel, so Kovac, "aber der Hauptschuldige war der Krieg. Wenn es ihn nicht gegeben hätte, müsste man sich hier an keine Gräber, Namen oder Leiden erinnern."

Verteidiger Steffen Ufer forderte unterdessen erneut, den Haftbefehl gegen Niznansky aufzuheben. Es gebe in Jan Repasky bislang nur einen einzigen Zeugen, der ihn belastet habe. Und Repasky habe sich in seiner drei Tage andauernden Vernehmung als absolut unzuverlässig erwiesen, habe Namen und Orte verwechselt und "objektiv falsche Angaben" gemacht.

Ein Gutachter bestätigte gestern, dass es begründete Zweifel an Repaskys Glaubwürdigkeit gebe. Niznansky werde in wenigen Tagen 87 Jahre alt und für ihn "zählt jeder Tag" in Freiheit, meinte Ufer daraufhin. Die Staatsanwaltschaft habe sich zu sehr auf die Ermittlungsergebnisse von 1962 gestützt, und "das war eine Fehleinschätzung".

Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer widersprach dieser Darstellung vehement. Der Haftbefehl sei immer wieder von verschiedenen Gerichtsinstanzen bestätigt worden, er gehe daher auch weiterhin von einem "dringenden Tatverdacht" gegen den Angeklagten aus.

Außerdem bestehe bei Niznansky noch immer "Fluchtgefahr", da er "mobil" sei und über "Vermögen verfügt, um im Ausland zu leben". Das Gericht wird voraussichtlich am Freitag entscheiden, ob Niznansky aus der Untersuchungshaft entlassen wird.

© SZ vom 14.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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