Zehnte Liga:Der Mann mit dem goldenen Schuh

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Fußball in der Kreisklasse ist anstrengender als gedacht: Unser Autor hat beim ESV Freimann mittrainiert - und den wichtigsten Schuss des Tages versemmelt.

Marc Baumann

Die SZ begleitet eine Saison die Kreisklasse Gruppe 2. Diesmal: Mittendrin statt nur dabei - ein Training beim ESV Freimann, der Gute-Laune-Mannschaft der Liga.

Strammer Schuss, roter Kopf: Fußball in der Kreisklasse Gruppe 2 ist anstrengender, als unser Mitarbeiter (im Bild) dachte. (Foto: Foto: Pahnke)

Ich komme eine halbe Stunde zu spät und trage goldene Fußballschuhe. Blöder geht es nicht. Der erste Eindruck der Mannschaft muss sein: Der denkt, er kann Fußball spielen (goldene Schuhe); und der glaubt, er muss nicht pünktlich sein (erst um 19.32 Uhr am Platz).

Zu meiner Verteidigung: Die goldenen Schuhe sind ein Schnäppchen aus dem Schlussverkauf, das Modell "WM-Sieg 2006" in Gold mit italienischer Fahne kam in Deutschland nicht gut an. Meine 30-minütige Verspätung ist aber tatsächlich peinlich, ich konnte im Büro nicht früher weg. Zum Aufwärmen muss der 500-Meter-Spurt von der U-Bahnstation zum Vereinsgelände reichen. Trainer Mike Meier verzichtet auf die vorgesehene Geldstrafe für Zuspätkommer und wirft mir ein neongelbes Leibchen zu.

Es ist nicht selbstverständlich, dass ich an diesem Mittwochabend mittrainieren darf: Drei Spieltage vor Saisonende steht Freimann auf dem dritten Platz und könnte noch in die Kreisliga aufsteigen - da ist ein Gastspieler nur ein Störfaktor. Als untrainierter 31-Jähriger inmitten trainierter 20-Jähriger könnte ich die Taktikübungen durcheinanderbringen oder ungeschickt dem Spielmacher ins Kreuzband grätschen, alles möglich.

Sportjournalisten sind oft nur mäßige Sportler. Meine fußballerische Vergangenheit: F- bis C-Jugend beim SC Fürstenfeldbruck, dann Pubertät und andere Dinge im Kopf, mit 21 Jahren als Zivildienstleistender noch mal ein Jahr Kreisliga beim TSV Türkenfeld. Seither nur mehr ab und an Spiele in der Freizeitliga bei Teams wie den "Flinken Flaschen" oder den "Isarwühlern".

Als Reporter würde ich über mich schreiben: Verteidiger mit Hang zur Selbstüberschätzung beim Dribbling, für 1,94 Meter Größe erschreckend schwaches Kopfballspiel, Knieoperation im Winter, Marktwert etwa zehn Euro. Die erste Übung: Wir spielen auf E-Jugendtore, sechs gegen sechs mit zwei Ballberührungen, das heißt annehmen, abspielen, zack, zack.

Als ich allein vorm Tor den Ball nicht treffe, werde ich nicht wie sonst üblich aufgezogen von den Mitspielern, dafür ruft jemand freundlich "gut so!", als ich dem Gegner einen Ball abnehme. Das nennt man Welpenschutz.

Vor der nächsten Übung erklärt Mike Meier den Ernst der Lage: Der Gegner am Sonntag, Eintracht München, wird sich hinten reinstellen, da sei Kreativität im Angriff gefragt. Und das üben wir jetzt: Offensivspieler gegen Defensivspieler auf ein Tor, ich soll mitverteidigen, "ganz links außen".

Es fallen in 20 Minuten zwei Tore, beide eingeleitet über meine Seite. Dafür gelingt mir ein Beinschuss gegen einen der besten Spieler, der dafür vom Rest ausgelacht wird. Am Ende der Saison werden im Training die Kräfte geschont, daher muss ich mich nicht, wie nach der ersten laufintensiven Übung befürchtet, vor Anstrengung übergeben. Es folgen entspannte Torschussübungen.

Aufgabe 1: flach zum Trainer passen, der den Ball abtropfen lässt - und Schuss. Das kriegt man hin, schwieriger ist es, an Freimanns Torwart vorbeizukommen. Ich streiche das Wort "nur" aus dem Gedanken: "Das ist ja nur Kreisklasse." Aufgabe 2: ein hoher und weiter Pass zum Mitspieler, der mit dem Rücken zum Tor steht, den Ball mit der Brust annehmen und volley aufs Tor schießen soll. Hohe Kunst.

Die Fotografin ruft: "Schade, bei deinem Seitfallzieher ist mir ein Spieler genau ins Bild gelaufen, jetzt hab ich den nicht gesehen" - aus meiner Sicht: ein glücklicher Zufall. Ich nehme mir vor, in Artikeln nicht mehr über verunglückte Seitfallzieher zu spotten.

Beim Einreihen zum Torschuss bekommt man die Stimmung innerhalb der Mannschaft gut mit: Dass hinter dem Rücken des Trainers nicht gelästert wird und sich die Spieler fürs Wochenende verabreden (zum Fußball-Videospiel-Turnier). Trainer Meier ist mit Freimann vor zwei Jahren aufgestiegen, dann abgestiegen, und weil sie zusammengehalten haben, geht es jetzt vielleicht wieder rauf. Meier wird nach dieser Saison aufhören, "ich muss, ich kann es mit dem Beruf nicht mehr vereinbaren, aber die Jungs sind mir ans Herz gewachsen".

Die letzte Übung des Tages: ein Wettschießen von der Mittellinie. Für jeden Treffer gibt es Punkte, die unterlegene Gruppe muss den Siegern zur Strafe ein Lied vorsingen. Mehr aus Zufall denn gewollt bin ich der letzte Schütze: Ich könnte meine Mannschaft zum Sieg führen. Ein kurzer Anlauf, ein konzentrierter Schuss, alle Blicke folgen dem Ball, ein Meter daneben. Kurz darauf singe ich mit fünf anderen den Bierzeltschlager "Fürstenfeld".

Die Dämmerung setzt ein, Trainingsende, Trainer Mike Meier verabschiedet sich, drei Unermüdliche bleiben auf dem Platz und üben Flanken. Auf dem Heimweg bekomme ich große Lust, doch noch einmal im Verein zu spielen. Mehr kann man von einem Probetraining nicht verlangen.

© SZ vom 19.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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