Wolfratshausen:Atmosphäre statt E-Book

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Wie kleine Buchgeschäfte im Landkreis gegen große Konkurrenten und die Online-Händler im Internet bestehen - oder auch nicht.

Wolfgang Schäl

"Wir mussten die Reißleine ziehen", sagt Ursula Schille-Schwankl. Wie berichtet schließt sie die traditionsreiche Buchhandlung Schwankl in der Wolfratshauser Marktstraße im Oktober. Grund dafür sind Umsatzeinbrüche von bis zu 30 Prozent, nachdem die Bücherkette Rupprecht im Dezember vergangenen Jahres an der Marktstraße eine Filiale eröffnet hatte.

Zu allgemeinem Pessimismus über die Zukunft des gedruckten Wortes an sich mag sich Schille-Schwankl trotz des unfreiwilligen Endes nicht hinreißen lassen, das Problem ist aus ihrer Sicht eher ein lokales: Rupprecht sei für eine Stadt wie Wolfratshausen "einfach überdimensioniert". Das Buch als solches wird nach ihrer Erwartung bleiben, zumindest, sagt sie, "hoffe ich das doch sehr".

Die Rupprecht-Kette hat sich auch in Bad Tölz niedergelassen, ebenfalls im Zentrum, in der Marktstraße, wo Johanna Zantl ihren Buchladen betreibt. Ihre Erfahrungen sind anderer Art. Dort hat zwar im Jahr 2009 ebenfalls eine kleine Buchhandlung dichtgemacht und bereits vor der Rupprecht-Eröffnung die Flucht nach vorn angetreten. Johanna Zantl aber ficht die Konkurrenz des Bücher-Riesen, der bayernweit mittlerweile an die 25 Filialen unterhält, nicht an. "Ich mach' jetzt keine Sprüche, wenn ich sage: Wir spüren den Rupprecht so gut wie überhaupt nicht", versichert Zantl, die ihre Winzerer-Buchhandlung seit 38 Jahren im Herzen der Kurstadt betreibt.

Zantl ist nicht nur zuversichtlich, was ihren eigenen Laden betrifft, sie ist auch sicher, dass das Medium des bedruckten Papiers in Zeiten der E-Books und Hörbücher langfristig seine Chance hat: "Das Buch", sagt Johanna Zantl im Brustton der Überzeugung, "wird niemals sterben." Und was die Konkurrenz angeht, vertraut sie auf die Atmosphäre eines kleinen Ladens und ein überschaubares Sortiment mit dem Akzent auf Lyrik und Belletristik. "Es ist immer schon so gewesen, dass manche Menschen lieber im Großen einkaufen, und die anderen gehen eben lieber in die kleinen Geschäfte."

Insbesondere setzt sie auf die Vorbildwirkung der Erwachsenen für die Kinder. "Wenn die Eltern lesen, dann überträgt sich das." Dementsprechend "gibt es auch viele Kinder und Jugendliche, die bei uns reinkommen". Auch Ausländer, die gut Deutsch können, zählt sie zu ihren Kunden, "denn die wissen, dass ihre Zukunft über die Sprache geht".

In einer etwas komfortableren Situation sieht sich die Buchhandlung Ulbrich in Geretsried. Dort gibt es keine Rupprecht-Filiale, und Silvia Ulbrich glaubt auch nicht, dass eine kommt. "Das wäre zu dicht neben Wolfratshausen und Bad Tölz", mutmaßt sie. Nach ihren Erfahrungen ist es eher das Internet, das den kleinen Händlern zusetzt. Zwar hat auch sie beobachtet, "dass die Laufkundschaft weniger wird".

Dafür gibt es in Geretsried einen anderen Faktor, der für die Umsätze nicht zu unterschätzen ist: das Gymnasium. Anders als Johanna Zantl setzt Ulbrich auf eine breite Angebotspalette, "wir führen alles, querbeet", vom Hörbuch bis zur Jugendliteratur, von der Belletristik bis zum Gartenratgeber. Das Einzige, was nicht verlangt wird, ist das E-Book. "Da gibt es überhaupt keine Nachfrage."

Man sei nie gefeit vor dem Einfluss von Bücherketten, sagt Karin Rolles, die Inhaberin der gleichnamigen Buchhandlung in der Penzberger Bahnhofstraße. Um gegen potentielle Konkurrenten wie Rupprecht bestehen zu können, hat Rolles den Laden vor sechs Jahren erweitert, von 140 auf 340 Quadratmeter, "ein Riesen-Risiko, das uns schlaflose Nächte bereitet hat". Die vergangenen Jahre waren dann wegen der Umgestaltung der Innenstadt nicht einfach, "eine Durststrecke". Jetzt steht zusätzlich der Umbau des Gebäudes selbst an. Kein leichtes Geschäft, obwohl der Laden in der Mitte der Bahnhofstraße optimal platziert ist, "eine echte Eins-A-Lage".

Probleme aber sieht Rolles in der gesamten Branche. Der Buchhandel sei generell betroffen von einem Umsatzrückgang, dessen Ursachen niemand wirklich kenne. Zu vermuten ist aus Sicht von Karin Rolles, dass drei Faktoren dabei ausschlaggebend sind: Das Internet, das auf die Verkaufszahlen drückt, und das Thema Fukushima. Publikationen insbesondere von Sachbuchautoren seien wegen der ausladenden Atomdebatte bei den Rezensenten ins Hintertreffen geraten. Und dies werde in den Bilanzen sofort spürbar. Drittens: das heuer extrem spät fallende Osterfest. "Ostern ist umsatzmäßig wie ein kleines Weihnachten", weiß Rolles. Die späte Terminierung habe die Statistik des ersten Quartals stark belastet.

E-Books spielen auch bei ihr keine Rolle, "an denen verdienen wir auch nichts", sagt die Penzberger Buchhändlerin. Interessant werde die Lektüre via Internet erst, wenn sich die Bücher im großen Stil auf Handys herunterladen lassen. Hier sieht Rolles wiederum das Problem, dass die technisch versierte, jüngere Generation "halt wenig liest". Wenig zu lesen, das könnte Karin Rolles selbst sich nicht leisten.

Zwei bis drei Bücher führt sie sich pro Woche mindestens zu Gemüte, um bei Neuerscheinungen auf dem Laufenden zu sein und eine sinnvolle Beratung anbieten zu können. Generell, so ihr Eindruck, "muss man immer mehr Aufwand betreiben, um den Umsatz überhaupt nur halten zu können". Ob es trotzdem ein schöner Beruf ist, Buchhändlerin zu sein? "Ich denke schon", sagt Karin Rolles. Und was die Zukunft des Mediums Buch betrifft? "Eigentlich bin ich da optimistisch".

Sophie von Lenthe, Geschäftsführerin der Buchhandlung Isartal in Ebenhausen, vermutet sogar, dass die Ketten zur Zeit mehr Probleme haben als die kleineren Buchhandlungen, die mit eigenen Konzepten schneller und flexibler reagieren könnten. In ihrem 140 Quadratmeter großen Laden setzt sie besonders auf Kinderbücher, Belletristik, kleinere Zusatzangebote sowie auf Geschenkartikel. Demnächst soll noch der Online-Auftritt optimiert werden. Rupprecht in Wolfratshausen jedenfalls sei "weit weg". Der wirke sich gar nicht aus.

© SZ vom 16.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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