Rick Kavanian in Bad Tölz:Schizophrenie - jetzt oder nie

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Der Comedian wechselt im Tölzer Kurhaus die Rollen. Mal absichtlich, mal versehentlich.

Sebastian Blum

"Ich versteigere die griechischen Tugenden." Kunstpause. "Alle beide." - Der Saal tobt vor Lachen über Kavanians Scherze. (Foto: Manfred Neubauer)

Rick Kavanian steht an diesem Freitagabend im Tölzer Kurhaus vor Gericht. Warum - das weiß weder der Comedian noch sein Publikum so genau. Denn eine manipulierte Parkuhr ist nur eines von vielen "Verbrechen", für die er sich auf der Bühne rechtfertigen muss. Doch wirklich Angst braucht Kavanian an diesem Abend nicht zu haben. Das Publikum steht voll und ganz hinter ihm, der Saal ist restlos ausverkauft.

Verwunderlich ist das nicht: Fast jeder kennt Kavanian. Den Mittvierzigern, die vor Beginn noch schnell mit einem Aperol Spritz oder Prosecco anstoßen, dürfte der Münchner vor allem aus den Bully-Filmen "Der Schuh des Manitu" und "(T)Raumschiff Surprise" bekannt sein. Die Jugendlichen, die an ihren Bierflaschen nuckeln, kennen ihn vielleicht noch aus der "Bullyparade" im Fernsehen. Die Allerkleinsten hat er nicht zuletzt als Stimme des Zebras Marty durch den Kinohit "Madagascar" begleitet. Bei allen ist die Vorfreude groß, die Gunst seiner Zuschauer hat Kavanian schon zu Beginn gewonnen.

Überhaupt ist das Gerichtsverfahren im Kurhaus nur ein Vorwand für den Comedian. "Egostrip" heißt sein Programm, und Kavanian gewährt einen tiefen Einblick in seine vielen Persönlichkeiten: Da ist Jens Maul, "erster Ossi auf dem Mond" mit "Gemüse-Tourette", da gibt es den Hanseaten Bertram Lude, von Beruf natürlich Zuhälter, und da ist Kavanians bekannteste Figur, der Grieche Dimitri Stupakis jr. An dem Hellenen ist die Euro-Krise natürlich auch nicht spurlos vorbeigegangen, weshalb Stupakis nun zum Ausverkauf Griechenlands schreitet: "Ich versteigere die griechischen Tugenden." Kavanians Charakter macht eine kurze Pause: "Alle beide." Der Saal tobt vor Lachen.

Der Comedian spielt seine Figuren reduziert, das Herumgehopse auf der Bühne ist nicht seine Sache - einen kurzen Schuhplattler vielleicht ausgenommen. Er passt sich mit sparsamer Gestik und Mimik seinem jeweiligen Charakter an, nur beim sächselnden Bösewicht Jens Maul zieht er manchmal einen Flunsch, der eigentlich Gesichtslähmung verursachen müsste.

Doch Kavanians wahre Stärke ist seine Stimme: Die unglaubliche Fülle an Dialekten und Sprechweisen begeistert das Publikum, und die meisten seiner Parodien sitzen. Da will der ehemalige Bundes- und Motivationstrainer Jürgen Klinsmann mit den Zuschauern Atemtechniken üben und kiekst auf Schwäbisch-Englisch: "Truscht your body. Es isch no niemand am Atmen erstickt." Mancher im Publikum kann da nicht mehr an sich halten und stößt sein Bierglas um. Es wird diesen Abend nicht das letzte sein.

Dabei muss sich Kavanian trotz aller sprachlichen und darstellerischen Brillanz vielleicht einen Vorwurf gefallen lassen: Seinem Programm fehlt es zwischen Schweizer-Tatort-Parodie und fluchenden Franzosen mitunter an inhaltlichem Tiefgang. Doch der Comedian will vor allem eines: unterhalten. Und das macht er so gut, dass er teilweise selbst kurz nicht mehr kann vor Lachen. Dafür liebt ihn sein Publikum, auch wenn er gegen Ende einmal zwei Figuren vertauscht. "Schizophrenie - jetzt oder nie", kommentiert Kavanian das lässig.

Und so belohnen die Zuschauer den Münchner am Ende mit tosendem Applaus. "Danke für die Interaktion und die zerbrochenen Krüge", ruft Kavanian. Seinen Prozess hat er übrigens auch gewonnen: Er hat sich selbst freigesprochen.

© SZ vom 26.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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