Haute Couture:Initiation mit Altpapier

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Mit den "Großen Arbeiten" verlassen die Montessori-Schüler in Dietramszell ihre Kindheit. Die einen machen Recycling-Kleider, die anderen schmieden Messer. Alle müssen sich einem großen Publikum präsentieren

Von Helena Golz

Haute Couture aus Altpapier beherrscht den Laufsteg der Dietramszeller Montessori-Schule. Die 14-jährige Schülerin Ilea Weber präsentierte bei ihrem Montessori-Abschluss eine besondere Modekollektion, nämlich eine, die recycelbar ist. Inspiriert durch ein Schulbuch, das sich mit Wiederverwertung beschäftigt, entwarf Ilea sieben außergewöhnliche Kleider. Eines davon, das "Nature Dress", ist so anmutig wie ein Ballkleid, dabei besteht das Oberteil aus einer Papiertüte vom Netto-Markt und seine Träger sind aus einem Efeu-Strang, als Gürtel dient ein Fahrrad-Schlauch und der Ballonrock ist aus Zeitungspapier gebastelt.

Wochenlang getackert und gefaltet hat Ilea, um als eine von 25 Schülern der achten Jahrgangsstufe ihren Abschluss nach dem Konzept von Maria Montessori zu machen. Im nächsten Jahr geht es dann an den Quali. Zur "Großen Arbeit" gehören ein praktischer und ein schriftlicher Teil, die Gestaltung eines Infostands und die Präsentation der Arbeit vor Eltern, Lehrern und Mitschülern, sei es mit einem Power-Point-Vortrag, einem Vorspiel oder einer Modenschau. "Es geht darum, sich öffentlich zu präsentieren", sagt Schulleiter Michael Rettinger, "mit diesem Vortrag verlassen die Schüler die Kindheit. Es ist der wichtigste Tag in ihrer Schullaufbahn, eine Art Initiationsmoment."

Das Thema ihrer Arbeit können sich die Schüler selbständig überlegen, es gibt keine Einschränkungen. Man müsse sich auch nicht an einem Unterrichtsfach orientieren, sagt Rettinger: "Das Geheimnis ist, dass im Prinzip alle Unterrichtsthemen abgedeckt werden, ohne dass es den Schülern im ersten Moment klar ist." Man könne etwas über Geografie lernen, ohne einen Atlas aufzuschlagen. So hält eine Schülerin beispielsweise einen Vortrag über die Olivenernte in der Toskana, bei der sie mit einigen Mitschülern geholfen hat.

Die Arbeiten sind überwiegend im vergangenen halben Jahr entstanden. Im Anschluss an die Präsentation werden sie von einer Jury, bestehend aus Vertretern von Wirtschaft, Schulaufsicht, Schulleitung, Elternbeirat und Vorstand, besprochen und bewertet. Noten gibt es nicht. Es gehe nur darum zu bestehen, sagt Schulleiter Rettinger. Wer es beim ersten Mal nicht schaffe, habe immer eine zweite Chance.

Meist kommen den Schülern aufgrund ihrer persönlichen Interessen Themenideen für ihre "Große Arbeit". Ilea sagt, sie sei schon immer modeinteressiert gewesen und arbeite gerne kreativ. Deshalb habe sie sich für das Kleiderthema entschieden. Am Anfang habe sie sich noch einen Plan gemacht, aber dann habe sie einfach drauf los gebastelt. "Ich war selbst überrascht, was man aus Müll alles machen kann", sagt sie.

Gemeinsam stellen die Schüler ihre Arbeit in den Gängen der Montessori-Schule aus. Jeder Schüler hat einen eigenen Tisch gestaltet. Beeindruckende Installationen haben sich dabei ergeben. Die 13-jährige Maia Obser beispielsweise hat ihre Arbeit über die Geige geschrieben. An ihrem Stand stellt sie das Instrument und seine einzelnen Bestandteile vor. In der Aula gibt sie ein beeindruckendes Konzert.

Finn Prox, der ein Praktikum in einer Schmiede gemacht hat, erklärt an seinem Tisch die Herstellung eines Damast-Messers. Ein prächtiges Exemplar - seine praktische Arbeit - liegt in einer Truge daneben. Sophie Donat hat ihren Tisch der Kunst des Zeichnens gewidmet. Ihr Bild von einem Hasen sieht dem berühmten Aquarell von Albrecht Dürer verblüffend ähnlich. Die Mühe und die vielen Arbeitsstunden, welche die Schüler investiert haben, sind unübersehbar. Tosender Applaus vom Publikum.

© SZ vom 30.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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