Geretsried-Wolfratshauser Tafel:Bedürftig mit dickem Auto

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Beobachter kritisieren, dass nicht bedüftig erscheinende Menschen kostenlos Lebensmittel von der Tafel erhalten. Die Mitarbeiter wehren sich gegen diese Kritik - und schließen Missbrauch faktisch aus.

Wolfgang Schäl

Darf jemand mit einem dicken Auto bei der Geretsried-Wolfratshauser Tafel vorfahren, um sich dort kostenlos erhältliche Lebensmittel in den Kofferraum zu laden? Aufmerksame Beobachter haben dies wiederholt so wahrgenommen und sich befremdet gezeigt: Jemand, der ein hubraumstarkes Gefährt benutze, könne doch wohl kaum bedürftig sein, finden sie.

Die Geretsried-Wolfratshauser Tafel verteilt kostenlos Essen an Bedürftige. (Foto: WOR)

Die Mitarbeiter der Tafel sehen sich jetzt veranlasst, solcher Kritik entgegenzutreten. All jenen, die sich über die Autos der Tafel-Kunden mokieren, entgehe, dass die vermeintlich dicken Autos keine wirklichen Luxusgefährte seien, sondern in aller Regel billige "alte Kisten", die vor allem bei jüngeren Leuten beliebt seien.

Übersehen werde auch oft, dass die Abholer bei der Tafel zugleich auch Lebensmittel für andere Berechtigte mitnehmen, die krank oder gehbehindert sind. Für sie besteht aus Sicht der Tafel-Mitarbeiter ein Versorgungsbedarf, obwohl die Tafel ihre Sachen selbst mittlerweile an mehr als 20 Personen ausliefere. Hinzu komme, dass die wenigen Autobesitzer auch Fahrgemeinschaften anbieten, weil die Busverbindung vor allem samstags in die Geretsrieder Jeschkenstraße schlecht und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für die Bedürftigen teuer sei.

Die Tafel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Empfänger der Grundsicherung sowieso kein Auto haben dürfen, weil ein Fahrzeug sofort auf das Vermögen angerechnet werde. Eigenes Kapital müsse aufgebraucht sein, bevor die Grundsicherung überhaupt greift. Hartz IV-Empfänger seien zwar berechtigt, ein Auto zu besitzen, es dürfe einen bestimmten Zeitwert aber nicht überschreiten. Abgesehen davon werde gerade von Hartz-IV-Empfängern verlangt, dass sie sich einen Arbeitsplatz suchen. Und dazu müssten sie beweglich sein.

Zur Klarstellung ruft die Tafel ihre Bestimmungen in Erinnerung. Berechtigt zum Empfang von Lebensmitteln sei jeder, der weniger als 900 Euro monatlich zur Verfügung hat. Für eine zweite Person im selben Haushalt werden 600 Euro hinzugerechnet, für jede weitere 300 Euro. Der Tafel-Verein stellt Empfängern nach sorgfältiger Prüfung der amtlichen Unterlagen oder der Social Card des Landratsamtes in Bad Tölz einen Tafelausweis aus. Im Prinzip sei damit ein Missbrauch ausgeschlossen. Im Verdacht, die Leistungen der Tafel unberechtigt in Anspruch zu nehmen, stünden allenfalls drei Prozent der Kunden. Bei derzeit rund 800 Berechtigten seien dies also maximal 24 Personen.

© SZ vom 13.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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