Geretsried: Kulturherbst:"Da schnallst du ab!"

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Was passiert, wenn ein junges bayerisches Trio im Geretsrieder Festzelt auf afrikanische Gummistiefeltänzer trifft? Ein Gespräch mit Maria, Maresa und Michael Well.

Stephanie Schwaderer

Ein Samstagmorgen in der Stube von Michael Well. Seine Tochter Maria (22) und Nichte Maresa (23) sind aus München gekommen, wo beide an der Musikhochschule studieren - Maria Cello, Maresa Schulmusik. Die beiden jungen Frauen lachen viel, reden schnell und gerne auch gleichzeitig, wobei sie sich gegenseitig zuhören und gegebenenfalls im laufenden Satz korrigieren können. Ein perfektes Zusammenspiel. Keine Frage: Da steckt jahrelange Übung dahinter.

SZ: Wie viele Cousins und Cousinen seid ihr in der Familie?

Maresa:Ungefähr 35, oder?

Maria:Ja, das sag ich auch immer.

Und wie lange musiziert ihr beiden schon zusammen?

Maresa:Seit Ewigkeiten.

Maria:Wir sind mehr oder weniger zusammen aufgewachsen. Maresa in Dietramszell, ich in Ascholding.

Maresa:Mit drei oder vier haben wir "Sepp Depp Hennadreck" aufgenommen.

Maria:Und jetzt wohnen wir zusammen in München.

Gemeinsam mit Alexander Maschke bildet ihr das Trio nouWell cousines. Wie kam es dazu?

Maria:Das begann mit der Stiftung Life Music Now von Yehudi Menuhin. Wir beide, der Alex und mein Bruder Matthias sind da jetzt im dritten Jahr dabei, spielen in Krankenhäusern und Altenheimen.

Maresa:Aber der Matthias konnte oft nicht, weil er Abi gemacht hat. Und da haben wir gemerkt, dass es zu dritt auch ganz gut geht.

Michael: Das schwierigste war die Namenssuche, die hat ein Jahr gedauert.

Maresa: Erst hatten wir an FestiWell gedacht.

Maria:Dann hatte der Onkel Karli die Idee mit nouWell cousines, das war bei einem Familienessen nach der dritten Flasche Wein.

Michael:Weil meine Frau doch Französin ist und französisch kocht.

Und welche Art Musik kreiert ihr?

Maria: Ein Crossover! Volksmusik, Klassik . . .

Maresa:. . . bairische Lieder. Mittlerweile schreiben wir auch selbst. Nicht groß politisch . . .

Maria: Nicht ausschließlich politisch.

Maresa: Die Zeiten haben sich eben geändert. Unsere Generation ist anders als die unserer Väter.

Ist es eine schwere Bürde, die Biermösl Blosn im Rücken zu haben?

Maria: Ich empfinde es nicht als Belastung. Wir haben viele Auftritte mit unseren Vätern, das ist eher ein Geschenk.

Maresa:Viele sagen auch: Schön, dass ihr jetzt weitermacht. Dabei machen wir ja gar nicht weiter, wir fangen gerade an.

Am 8. Oktober steht ihr gemeinsam mit den Gumboot-Dancers in Geretsried auf der Bühne. Ein großer Auftritt?

Maresa:Ja, vor so vielen Leuten haben wir noch nie gespielt.

Wer von euch dreien ist am aufgeregtesten?

Michael:Ich! Ich hab zwar keine Zweifel, dass es ein großer Spaß wird. Aber allein schon die Reise-Organisation für die Gumboots ist ein Riesenaufwand. Es ist so schwierig, die aus dem Land rauszubringen! Ich bin sehr froh, dass Assunta Tammelleo vom Hinterhalt mich unterstützt.

Wer hat die Tänzer ausgewählt?

Michael:Der Kontakt läuft über Mandoza Radebe, einen Choreografen, den wir 2007 kennengelernt haben, als wir mit der Biermösl Blosn unsere Südafrikatour gemacht haben. Das lief über das Goethe-Institut. Weil der afrikanische Gummistiefeltanz ganz ähnlich wie das Schuhplatteln ist, kam der Gedanke auf, dass wir uns austauschen. Daraus ist auch ein schöner Film entstanden: Platteln in Umtata. Mandoza betreut in einem Township in der Nähe von Johannesburg an die hundert Jugendliche. Er macht Sozialarbeit, tanzt und trainiert täglich mit ihnen, was ihnen hilft, mit ihren Problemen fertig zu werden. Seine Truppe ist in Südafrika bekannt. Vor drei Jahren war er schon einmal mit einer Gruppe da. Jetzt hat er wieder zehn Jugendliche ausgewählt, die mitfahren dürfen.

Was genau erwartet sie in Bayern?

Michael:Am 6. Oktober beziehen sie das Grand Hotel Lacherdinger (eine Dorfwirtschaft in Ascholding, Anm. der Red.). Dort sind sie für eine Woche einquartiert. Neben dem Auftritt beim Kulturherbst habe ich für sie eine kleine Tournee zusammengestellt. Zudem gibt es Workshops in den Gymnasien von Icking, Tölz und Geretsried. Die Resonanz ist toll. In Dorfen dekoriert die Besitzerin eines Schuhladens ein ganzes Schaufenster nur mit Gummistiefeln und spendet den Erlös.

Werden die Tänzer ein bisschen Geld mit nach Hause nehmen können?

Michael:Das hoffe ich! Die Flüge hab ich vorgestreckt, das Hotel zahlt die Kreissparkasse München. Man kann sich nicht vorstellen, welche Bedingungen in den Townships herrschen. Aids ist ein Riesenproblem, viele Kinder sind Waisen. Vor drei Jahren hat einer der Buben gesagt, dass er mit seiner Gage einen Grabstein für seine Mutter kaufen wird.

Maresa:Und trotzdem strahlen sie so eine Lebensfreude aus.

Maria:Und machen eine mitreißende Performance.

Maresa:Und pantomimisches Theater.

Maria: Schon die ganz Kleinen können dort tanzen - da schnallst du ab!

Michael:Außerdem vermitteln die Gumboots einem einen tiefen Einblick in die Kulturgeschichte Südafrikas. Das ist nicht nur so eine Tanzshow.

Und wie geht das mit nouWell cousines zusammen?

Michael:Bayern ist schwarz und die Tänzer kommen aus Schwarzafrika. Bayerische Musik und afrikanischer Tanz, das ist eine lebendige Mischung. Und man erfährt etwas voneinander.

Hat nouWell cousines auch etwas Afrikanisches im Programm?

Maria:Da arbeiten wir noch dran.

Maresa:Ich überlege, ob ich ein bisschen plattle. Das wäre natürlich ein Tabubruch - als Mädchen darfst du ja nur drehen. Aber ich wollte das schon immer, mein Bruder war der Starplattler von Dietramszell.

Michael: So eine enge Lederhose wär' doch gut, keine Trachtenhose, sondern so eine schwarze . . .

Maresa:Oh ja, so ein Rockeroutfit! Aber hohe Absätze gehen nicht.

Maria: Mei, wenn ma übt.

Maresa: Ein bisserl Absatz wär schon heiß.

Und die Väter schauen nur zu. Ist das nicht schwer?

Michael:Für mich ist das kein Problem. Ich bin nicht so eine Rampensau. Ich organisiere gern.

Maria: Das sagt er jetzt nur so.

Maresa: Und dann hat er doch wieder seine Tuba dabei.

nouWell Cousines und Gumboots, Kulturzelt an der Jahnstraße, Geretsried, Montag, 8. Oktober, 20 Uhr, Karten zu 19 Euro unter Tel. 08171/629827 oder www.kulturherbst-geretsried.de

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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