Wohnungsnot:"Wir brauchen ein Großstadtbündnis"

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Ude mahnt die Wirtschaft, ihre Immobilienbestände nicht zu verkaufen - und attackiert das bauunwillige Umland.

Sven Loerzer

(SZ vom 3.8.2001) - Nicht immer ist es die reine Wonne, OB von München zu sein. Manchmal wird selbst Christian Ude der Erfolg fast ein wenig zu viel: München boomt, 60.000 Stellen sind unbesetzt - und plötzlich gilt dem Wohnungsmangel das schlagartig gestiegene Interesse.

Andernorts können die Wohnbauquoten "dramatisch verfallen", sagt Ude, "doch dort spricht niemand vom bedrohlichen Rückgang". So sei etwa in Nürnberg die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in den letzten fünf Jahren von 4000 auf 800 pro Jahr gesunken.

Zunahme am Mietmarkt

München dagegen habe kontinuierlich etwa 6000 Wohnungen pro Jahr fertig gestellt, "mal ein paar 100 mehr, mal ein paar 100 weniger". Während sogar die Zahl der neuen Wohnungen in ganz Bayern um einen zweistelligen Prozentsatz gesunken sei, könne München sogar einen ebenso hohen Zuwachs im letzten Jahr melden.

Selbst der schon zum Erliegen gekommene Mietwohnungsbau nehme wieder zu. Und angesichts von 3600 fertigen Wohnungen im ersten Halbjahr freut sich Ude, "dass es vom hohen Niveau aus noch weiter nach oben geht".

Dennoch ärgert sich Ude. "Teile des Umlandes entziehen sich den Wohnungsbauanstrengungen", sagte er beim Treffen des Münchner Bündnisses für Wohnungsbau.

Warnung an die Unternehmen

Ein Plus gebe es bei Starnberg, aber vor allem im Landkreis München seien die Zahlen stark rückläufig. Den Wohnungsbau auf die Kernstadt abzuwälzen, gleichwohl aber munter Unternehmen anzusiedeln - diese Praxis macht Ude vor allem in den "boomenden Wirtschaftsstandorten" Unterföhring, Unterhaching und Unterbiberg aus.

Im Umland werde auch die Aufgabe des Baus von Mietwohnungen und Sozialwohnungen nur sehr ungern und zurückhaltend wahrgenommen, von wenigen positiven Beispielen abgesehen, wie etwa Haar. "Wenn die Wohnungsbauzahlen im Umland so rasant abstürzen, wie im Landkreis München, kann in der Kernstadt so viel Bauland ausgewiesen werden, wie möglich, aber an der Mangelsituation wird sich nichts ändern."

Auch die Versicherungsunternehmen warnte er davor, unter dem Druck der Börsen-Analysten ihre Immobilien-Bestände zu verscherbeln. Besonders ärgerlich sei es, wenn die Manager dann den Wohnungsmangel beklagten und Abhilfe von der Stadt forderten.

Silberstreifen am Horizont

Der OB regte an, sich ein Beispiel an den Stadtwerken zu nehmen. Sie sähen sich in der Lage, einige 100 Wohnungen bereit zu stellen und für die Personalgewinnung zu nutzen: "Das rechnet sich durchaus."

Einige Silberstreifen am Wohnungshorizont taten sich in der Diskussion auf: Die Münchner Rück ließ erklären, sie wolle sich nicht vom gesamten Wohnungsbestand trennen, die Bayerische Versicherungskammer will ihn gar nicht runterfahren.

Die Immobilienverwaltung der Deutschen Bahn bot sogar 23 Hektar Flächen an, auf denen rund 1000 Wohnungen entstehen könnten. Je schneller dort Baurecht geschaffen würde, desto günstiger würde die Bahn die Flächen an Bauträger abgeben - mit der Verpflichtung die Vergünstigung weiterzureichen.

Einig war man sich auch, dass es in Wachstumsregionen gezielter Steueranreize zum Wohnungsbau bedarf. Ude: "Wir brauchen dafür ein Großstadtbündnis."

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