Wohnungsnot:Job gesichert, Wohnung gesucht

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Unternehmen klagen, dass Mitarbeiter nicht nach München wollen

Doris Näger

(SZ vom 3.2.2001) - Das Jobangebot klang verlockend. Projektleiter bei einer Münchner Softwarefirma, mit einem guten Jahresgehalt - und um eine Wohnung wollte sich das Unternehmen kümmern. Harald M. hielt dies für einen passablen Einstieg nach dem Wirtschaftsingenieur-Studium. Trotz anderer Angebote machte er sich mit fünf Koffern und seinem Auto auf den Weg von der Schweizer Stadt Baden nach München.

Ein Büro, aber keine Wohnung für sein Bett hat dieser neue Mitarbeiter einer Softwarefirma (Foto: Foto: Klaus Brenninger)

Jetzt sind zweieinhalb Wochen vergangen, und der 26-jährige Harald M. wohnt noch immer im Hotel - und zwar alle vier Tage in einem anderen.

Am Wochenende fährt er nach Hause oder zu Freunden, denn dann sind erst recht keine Unterkünfte frei. Und wo er in der kommenden Woche schlafen soll, weiß er gar nicht. Da ist in München Messe. "Wenn ich in zwei Wochen noch nichts habe, werde ich zurück in die Schweiz gehen", sagt M. frustriert. "Ich kann nicht monatelang aus dem Auto leben."

Firmen können noch so verlockende Jobs bieten - wenn ihre Mitarbeiter keine Wohnung bekommen oder nur zu enormen Preisen, nützt es nichts. Der Wohnungsmangel erschwert Arbeitgebern zunehmend Neueinstellungen, verhindert die Wiederbeschäftigung Arbeitsloser und die Gewinnung rarer Fachkräfte.

Gerade in München, wo alleine das Arbeitsamt 30.000 freie Arbeitsplätze registriert hat, ist das besonders deutlich.

Mietmarkt als Standortnachteil

Der überaus angespannte Mietmarkt könnte laut Industrie- und Handelskammer (IHK) in ein, zwei Jahren zum Standortnachteil werden: "Das Fachkräfte-Problem wird durch den Wohnungsmangel verschärft", sagt Peter Kammerer, Referent bei der IHK.

Damit seien zwei Engpässe aufeinander getroffen. "Die Klagen erreichen uns jetzt ständig. Die Firmen sagen, dass es sogar schwierig ist, eine Wohnung für den höheren Einkommensbereich zu finden."

Ob die Jobmaschine München schon an Attraktivität verliert? "Wer bei uns arbeiten will, weiß, was ihn auf dem Münchner Wohnungsmarkt erwartet", widerspricht Christine Krepold von BMW. Für seinen Wunschjob und eine derart attraktive Stadt nehme ein Mitarbeiter die Schwierigkeiten in Kauf.

Auch Siemens bestätigt, dass der Wunsch nach Unterstützung bei der Wohnungssuche durch den Arbeitgeber zwar wachse, sich die Probleme aber immer noch lösen ließen, sagt Sprecher Karlheinz Groebmair.

Für sehr Qualifizierte sei das Problem zu bewältigen, heißt es im Arbeitsamt, aber in dem breiten Bereich der kleinen und mittleren Einkommen, in den gewerblichen Berufen, bei Handwerkern, Schichtarbeitern nicht mehr: "Oft scheitert ein Arbeitsvertrag daran, dass man sich nicht über die Wohnungsfrage einigt", sagt Andreas Bräutigam, Berater beim Arbeitsamt, der die Anwerbung in Ostdeutschland begleitet.

Jemand, der bisher acht oder zehn Mark pro Quadratmeter Miete zahlt, kann sich mit 20 bis 30 Mark eben schwer anfreunden, sagt Arbeitsamts-Sprecher Ottmar Schader.

Ernst Reitz von der IHK schätzt die Zahl derer, die der Wohnungsmangel abschreckt, als "beachtlich" ein. In einer geplanten Umfrage will die IHK deshalb auch die Auswirkungen des Mietmarktes auf die Firmen untersuchen.

Sicher ist allerdings: Viele Unternehmen erkennen, dass sie sich um eine Lösung des Wohnungsproblems kümmern müssen, um Mitarbeiter zu gewinnen oder auch zu halten. Denn: "Firmen, die Wohnraum anbieten können, haben einen Wettbewerbsvorteil", sagt Arbeitsberater Bräutigam.

Immer häufiger werden Relocation-Agenturen in Anspruch genommen. Diesen Service, der ursprünglich aufgebaut wurde, um ausländischen Angestellten das Niederlassen zu erleichtern, verlangen zunehmend auch deutsche Führungskräfte - wissend, dass sie alleine scheitern würden.

Selbst Profis geht die Puste aus

Doch selbst den Profis unter den Wohnungssuchenden geht langsam die Puste aus. "Die Suche ist viel, viel schwieriger geworden", räumt Theresa Hiltl ein. "Früher haben wir einen Kunden in zwei Wochen abgewickelt", sagt die Inhaberin eines Relocation-Service, "jetzt dauert es zwei bis drei Monate."

Firmen, die sich diese Dienste nicht leisten können, durchforsten eigenhändig Wohnungsanzeigen oder stocken das Gehalt auf. Arbeitgeber, die Tarifgehälter nicht überschreiten dürfen, stellen einen Wohnheimplatz oder ein Appartement.

Mittelständische Unternehmen lassen sich von Bildungsträgern helfen, die den Umzugsservice zum Beispiel für Ostdeutsche übernehmen.

Und der Vorstand der erwähnten Softwarefirma fragt inzwischen seine Bekannten und Freunde nach einem freien Zimmer für den neuen Projektleiter.

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