Wohnungsnot:Festgehalten in Ruinen

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Eine Münchnerin findet keine bezahlbare Wohnung

Robert Stocker

(SZ vom 2.2.2001) - Ein neuer Job, zu wenig Platz, Familienzuwachs - es gibt viele Gründe, weshalb sich Menschen eine Wohnung suchen müssen. Das macht man nicht einfach so zum Spaß, zumal in einer Stadt wie München, und in aller Regel ist der Wunsch nach einer neuen Bleibe ziemlich dringend.

Nur ein Gasofen heizt die Wohnung von Jutta R.Foto: (Foto: Foto: Klaus Brenninger)

Im Fall von Jutta R. wäre es allerdings nicht falsch, diesen Wunsch ein existenzielles Bedürfnis zu nennen. Das Anwesen in der Sandstraße 15, in dem die 35-Jährige derzeit noch wohnt - man sollte besser sagen haust - ist im Prinzip eine Ruine: Herausgebrochene Fenster- und Türstöcke, abgerissene Wände, offen liegende Leitungen.

Trotzdem leben hier noch vier Mietparteien. Der Wohnblock wurde von einer Erbengemeinschaft an eine neue Eigentümerin verkauft, die das Objekt im Zuge einer Generalsanierung entkernen ließ - bis sich herausstellte, dass das nicht rentabel war. Jetzt soll die Ruine abgerissen werden.

Diesem Plan stehen allerdings die letzten vier Mieter im Weg, zu denen Jutta R. gehört. Sie hat mit der Eigentümerin einen so genannten Aufhebungsvertrag geschlossen, in dem beide Seiten vereinbart haben, intensiv nach einer neuen Wohnung zu suchen.

Nur noch geduldet

Solange die nicht gefunden ist, darf Jutta R. in dem Haus an der Sandstraße bleiben, in dem sie seit 24 Jahren lebt. Die Frist lief zunächst bis August 2000, doch Jutta R. bekam bis zu diesem Zeitpunkt keine neue Wohnung. Seitdem wird die Frau in ihrer alten Bleibe "geduldet", was insofern etwas seltsam klingt, als sie selbst lieber heute als morgen aus ihrer maroden Behausung verschwände.

Für ihre 54 Quadratmeter zahlt sie nach wie vor 400 Mark - auf den ersten Blick betrachtet nicht sonderlich viel. Doch wenn man sich die Wohnung genauer anschaut, wirkt der Preis ziemlich happig: Die Luft ist feucht, die Raumtemperatur im Schlafzimmer entspricht der eines Kühlschranks, und ins Wohnzimmer hat Jutta R. einen Ofen mit riesiger Gasflasche gestellt, damit ihr beim Reden nicht der Atem gefriert.

Ist es da nicht mehr als verständlich, dass die 35-Jährige gern ausziehen würde? Seit mehr als einem halben Jahr sucht die ledige Kantinenhelferin eine neue Wohnung; mehr als 30 Häuser hat sie bis jetzt "abgeklappert".

Abfuhr im Wohnungsamt

Mehr als 800 Mark inklusive Heizung kann sie bei einem Bruttogehalt von 2800 Mark nicht für die Miete bezahlen, eine Tatsache, die auch die Eigentümerin ihrer jetzigen Bleibe bei der Wohnungssuche berücksichtigen muss.

Dass in München ein eklatanter Mangel an bezahlbaren Wohnungen herrscht, diese Erfahrung hat Jutta R. ausgiebig machen müssen. Natürlich war sie längst beim Wohnungsamt, wurde dort aber mit der Auskunft abgefertigt, dass sie trotz ihrer prekären Situation keine Dringlichkeitsstufe erhalte und deshalb eine Wartezeit von zwei Jahren in Kauf nehmen müsse.

"Da habe ich erst gar keinen Antrag ausgefüllt, das macht doch für mich keinen Sinn", sagt Jutta R. frustriert. Und natürlich habe sie sich bei gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften um eine Sozialwohnung bemüht, doch auch dies sei aussichtslos: "Dafür verdiene ich zu viel."

Alleinstehende unerwünscht

Andererseits, so die Erfahrung der jungen, allein stehenden Frau, winken viele Vermieter ab, "wenn ich ihnen die Höhe meines Gehalts sage".

In einem Fall hätte die Warmmiete 900 Mark betragen, war also an der absoluten Obergrenze dessen, was sie sich eventuell hätte leisten können.

Der Vermieter gab zu bedenken, dass man heutzutage doch schnell arbeitslos werden könne und dass sie keinen Partner oder Mitmieter habe, der die Miete dann weiterbezahle. "Es ist eben so", sagt Jutta R., "dass Vermieter zwei Verdiener wesentlich lieber nehmen als eine allein stehende Frau".

Als weitere Hürde bei der Wohnungssuche haben sich ihre beiden Katzen erwiesen, von denen sie sich nicht trennen mag. Doch die sind häufig unerwünscht.

Und an einen billigeren Ort weit außerhalb will die Kantinenhelferin auch nicht umziehen: Ihre Arbeitszeit beginnt schon um sechs Uhr früh, weshalb Jutta R. am liebsten eine Wohnung in Moosach, Laim, Neuhausen oder in der Maxvorstadt hätte, damit sie nicht kilometerweit zu ihrer Arbeitsstelle fahren muss.

Doch das ist nur ein Wunschtraum. Momentan wäre sie schon froh, wenn der Winter nicht mehr allzu lange dauert.

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