Wohnungsnot:Das Ende der Idylle

Lesezeit: 2 min

Wenn die Sozialbindung wegfällt, steigt auch die Angst

Astrid Becker

(SZ vom 5.2.2001) - Richard Lengfelder und Gustav Zacherl können sich ein Leben ohne die Max-Wönner-Straße nicht mehr vorstellen. Seit fast 36 Jahren wohnen die beiden schon in der Fasanerie. Die Pensionisten haben dort Freunde, liebe Nachbarn, "und die Enkelkinder sind auch nicht weit weg".

Gustav Zacherl blickt von seinem Balkon auf die Fasanerie (Foto: Foto: Klaus Brenninger)

Doch ihr beschauliches Leben zwischen ockergelben und kiesgrauen Wohnblöcken, nur zwei Hausecken vom Lerchenauer See entfernt, ist vor kurzem unsicher geworden. "Eher zufällig" erfuhren die beiden von einem Nachbarn, der im Mieterbeirat der Stadt sitzt, dass noch in diesem Jahr die Sozialbindung ihrer Wohnungen ausläuft.

Für die beiden Männer ein Schock: "Wir sind immer vom 31. Dezember 2005 ausgegangen." Das ist auch das Datum, das ihnen einst bei ihrem Einzug im März 1965 genannt wurde. Gedanken über diesen Zeitpunkt haben sich beide damals nicht gemacht: "Warum auch? Das war ja viel zu weit weg."

Lengfelder und Zacherl hatten eine Familie zu versorgen - keine leichte Aufgabe mit einem einfachen Job bei der Post. Die billigen Wohnungen, die ihnen der Arbeitgeber zur Verfügung stellte, betrachteten sie als Sozialleistung der Firma: "Die Post zahlt ja nicht gut, aber wenn man günstiger wohnen kann, ist das ein Argument, vor allem bei zwei oder drei Kindern."

Ein Geschenk des Himmels

Die 67,11 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung sei deshalb ein "Geschenk des Himmels gewesen", sagt der 72 Jahre alte Zacherl. Lengfelder, 63, nickt. "Ein Neubau wie im Paradies", sagt er. 181 Mark Warmmiete mussten Lengfelder und Zacherl damals für ihre identisch geschnittenen Wohnungen zahlen. Mittlerweile sind es 870 Mark - noch.

Die Wohnblöcke, in denen die beiden leben, sind vor 36 Jahren im öffentlich geförderten Wohnungsbau entstanden, "mit Zuschüssen der Post", wie Lengfelder und Zacherl betonen.

Viele Jahre gehörten die Sozialbauten der Neuen Heimat. Als der Bestand 1990 wegen Überschuldung verkauft wurde, wechselten auch die beiden Häuser in der Max-Wönner-Straße 9 und 11 den Besitzer. Den Zuschlag für die beiden Wohnblöcke erhielt die Wohnungs- und Siedlungsbau Bayern GmbH (WSB). "Wenn einer so etwas kauft, dann hat er auch etwas damit vor", das war den beiden Männern klar.

Doch sie hatten ja noch ihre Sozialbindung bis 2005. Da aber die WSB die öffentlichen Gelder, die in den Bau der beiden Blocks gesteckt wurden, vorzeitig zurückzahlte, kann sie nun selbst entscheiden, was damit geschehen soll.

Große Verunsicherung

"Die werden wohl die Miete innerhalb von drei Jahren um 30 Prozent erhöhen oder ganz verkaufen", meint Lengfelder. "Womöglich wollen die uns dann loswerden", befürchtet Zacherl, hofft aber, dass es so einfach auch nicht geht. Die Verunsicherung ist groß. Weder die WSB noch das Wohnungsamt hätten sich bisher mit ihnen in Verbindung gesetzt, erzählen sie.

Vom Sozialreferat erfährt man, dass selbst die vorgeschriebene Übergangsfrist von zehn Jahren am 31. Dezember 2001 ausläuft - in wenigen Monaten könnte es hier also los gehen mit den drastischen Mieterhöhungen.

Lengfelder und Zacherl wollen trotzdem in der Max-Wönner-Straße bleiben, auch wenn sie nicht wissen, wie sie die höheren Mieten finanzieren sollen. "Mir bleiben doch jetzt nur 1000 bis 1500 Mark zum Leben", sagt Zacherl, und auch Lengfelder sagt, dass er Angst habe, "große Angst".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: