Wohnungsnot:Aus den alten Fehlern lernen

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Ein besseres Fördermodell soll Wohnen billiger machen und die Bildung von Ghettos vermeiden

Georg Etscheit

(SZ vom 5.2.2001) - Wer in einer Sozialwohnung lebt, muss oft mit Vorurteilen kämpfen. Das können doch nur Sozialfälle sein, lautet ein gängiges Klischee, Menschen ohne Arbeit, die am untersten Ende der Gesellschaft ein kärgliches Dasein fristen. Und was könne die Sozialwohnung anderes sein als eine Bruchbude in einer ungepflegten "Wohnanlage"? Wo es schlecht riecht, sich der Müll in den mit Graffiti übersäten Hausgängen türmt und lichtscheues Gesindel ein- und ausgeht . . .

(Foto: SZ-Grafik)

"Wenn Sie sich in München umschauen, werden Sie nie erkennen, wo unsere Siedlungen sind. Höchstens, dass sie besonders schön sind", sagt Gernot Riedl vom Vorstand der Gewofag, der größten städtischen Wohnungsbaugesellschaft in München.

Riedl macht natürlich ein wenig Reklame für seine Gesellschaft, die zu den wenigen gehört, die sich in München noch im sozialen Wohnungsbau engagieren. Aber soziale Brennpunkte wie in den großen Hochhaus-Burgen in Berlin oder Hamburg sind im wohlhabenden München in der Tat selten.

Was nicht heißt, dass es keine Probleme gibt. Jahrzehntelang wurden die Einkommensgrenzen für die Wohnberechtigung nicht angehoben, während die Einkommen kräftig stiegen.

Waren früher rund 70 Prozent der Bevölkerung im Prinzip wohnberechtigt, sind es jetzt nur noch 30 Prozent, sagt Riedl.

Ungute Monostrukturen

Polizisten, Beamte, Krankenschwestern, normale Leute, "wenn auch keine Großverdiener", zählten einst zur Hauptklientel der Siedlungsunternehmen. Heute sind auch in München oft nur die Menschen übrig geblieben, die von Sozialhilfe leben.

"Das hat zu sehr unguten Monostrukturen geführt", sagt Hans-Joachim Klein vom städtischen Planungsreferat. Mit der Folge, dass sich viele Investoren aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen haben, weil sie die Probleme mit der Verwaltung von Wohnanlagen in sozialer Schieflage scheuen.

Deshalb zählten die großen Wohnungsgesellschaften wie die Gewofag zu den ersten, die sich für eine Reform der Förderung einsetzten.

Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde neben dem zunächst noch weiter bestehenden klassischen "ersten Förderweg" die neue "einkommensorientierte Förderung" etabliert und auch in München schon erfolgreich getestet.

Einbetonierte Sozialmieten

Im Unterschied zu den unveränderlich "einbetonierten" Sozialmieten mit ihren starren Einkommensgrenzen müssen die Sozialmieter in dem neuen Verfahren eine annähernd marktübliche Miete für ihre Sozialwohnung zahlen, bekommen aber von der Stadt einen Mietzuschuss überwiesen, dessen Höhe vom Einkommen abhängt.

Bei einer Quadratmetermiete von 17,50 Mark in Wohnungen, die nach dem neuen Modell errichtet wurden, ergibt sich abzüglich des höchstmöglichen Mietzuschusses von 7,80 Mark die bisherige Sozialmiete von 9,70 Mark.

Dadurch sei die Mietbelastung für Geringverdienende nicht größer als bislang, sagt Klein. Die "einkommensorientierte Förderung" könne somit auch den mittleren Einkommensschichten die Tür zu einer Sozialwohnung öffnen.

Die neue Förderung könnte dem Problem der Ghettobildung durchaus entgegenwirken, stimmt Lorenz Dick vom Bauunternehmen Terra zu: "Wenn die Wohnung laut Mietvertrag wirklich etwas kostet, gehen die Leute auch besser damit um."

Von Seiten der Investoren erhofft sich die Stadt ein größeres Engagement im Sozialwohnungsbau. Die Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus ist angesichts der Wohnungsnot dringend nötig.

Trotz vieler Millionen Mark, die die Stadt etwa in das Angebot verbilligter Grundstücke investiere, sei aber das Ziel von 900 neuen Sozialwohnungen pro Jahr derzeit nicht mehr zu erreichen, sagt Klein.

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