Wohnungsnot:18 000 Mark Miete, kalt

Lesezeit: 4 min

Ein Haus, das so viel kostet wie ein Kleinwagen

Norbert Joa

(SZ vom 30.1.2001) - Die kleine, ältere Frau mit dem Yorkshireterrier wohnt ums Eck, in einer Agfa-Werkswohnung und zögert nicht mit einer sehr persönlichen Auskunft: "91 Quadratmeter für 1290 kalt - da kann man nicht meckern", sagt sie über ihre Miete, während ihr kleiner Hund den lanzenförmigen Zaun der dreigeschossigen Villa beschnüffelt. Der Besitzer sei vor vier Monaten ausgezogen, und es heißt, ein Generalkonsul ziehe demnächst hier ein.

Granit, Marmor, Glas - klassisches Münchner "Kir Royal" (Foto: Foto: Klaus Brenninger)

Die Frau schweigt einen Moment. Also, das würde sie jetzt schon interessieren, was das kosten soll. Der Herr Reporter wisse doch sowas. "18.000 Mark. Kalt." Die Frau wirkt irritiert: "Für wie lange?" - "Einen Monat. " - "Einen Monat", wiederholt sie mechanisch, während ihr Hund an der Leine zerrt. Auf ihrem Gesicht ist zu sehen, wie es in ihr arbeitet.

Wenig später öffnet Detlev Freiherr von Wangenheim das schmiedeeiserne Tor und gleich dahinter, unter einem steinernen Portal, das von zwei Marmorsäulen getragen wird, die goldene Eingangstür zur "luxuriösen Stadtresidenz". So steht's im Prospekt.

Wo das Haus liegt, wie es im Innern eingerichtet ist, wem es gehört, wer der neue Mieter sein wird, über all das haben wir versprechen müssen, Stillschweigen zu bewahren.

Reiche Menschen hätten leider gute Gründe, misstrauisch zu sein, hatte Freiherr von Wangenheim am Telefon gesagt, darum habe auch jede Etage eine eigene Alarmanlage.

12 Zimmer, drei Einbauküchen

Der Makler ist um die sechzig, sehr gepflegt und seit 35 Jahren auf Topobjekte spezialisiert. Begleitet wird er von einem jungen Mitarbeiter im schwarzen Mantel, der aufmerksam lauscht und stets alle Details parat hat: 450 Quadratmeter Wohnfläche auf 800 Quadratmeter Grund, 12 Zimmer, drei Einbauküchen, vier Bäder, ein hallenähnliches Dachgeschoss mit Galerie. Im Untergeschoß Sauna, Dampfbad, diverse Räume, darunter einer für den Safe.

Das Haus ist Baujahr 1985, und der Besitzer hat es ganz nach seinem Geschmack einrichten lassen: viel Granit, Marmor, Glas; viele Spiegel, offene Kamine, dazu viel dunkles Edelholz mit Intarsien. Klassisches Münchner "Kir Royal".

Aber wozu Bescheidenheit demonstrieren, bei Baukosten von rund acht Millionen Mark? Nur hätt's der Nachmieter gerne anders, und drum lässt Freiherr von Wangenheim seine Hand einen Halbkreis zeichnen: "Das ganze Haus wird geweißelt, die Tapeten verschwinden, ebenso alle Tische, Stühle, Lampen, Sofas, Accessoires, Teppiche."

Frage des Geschmacks

Eine Frage des Geschmacks. Und des Zeitgeistes. Früher habe man das Parkett unterm Teppich vergraben, sagt der Makler, jetzt komme als erstes der Teppich raus. Unter dem in unserem Fall hell geränderter Marmor liegt.

Und weil der Reporter schweigt und staunend zum Geländer der Galerie hochschaut, fügt Freiherr von Wangenheim hinzu: "Gut, der hohe Anteil des Goldtons ist für manche gewöhnungsbedürftig - aber anderen gefällt's."

Und einer genügt, der 17.200 Kaltmiete zahlt im Monat, dazu 800 Mark für die acht Tiefgaragenplätze, plus 2500 Mark Nebenkosten.

An dem Punkt setzen wir uns hin - zu einem kurzen Gespräch auf einer Couchgarnitur, über deren Aussehen wir schweigen. Schweigen müssen. Wo wohnt der frühere Besitzer jetzt? Im Münchner Süden, auf 1000 Quadratmetern Wohnfläche. Er hat Frau und drei Kinder und wollte sich vergrößern. Ich hab ihm was verkauft.

Leitende Angestellte, Vorstände, Unternehmer

Und welche Mieter können das zahlen? Leitende Angestellte, Vorstände, Unternehmer - Menschen, die hart und mehr arbeiten als viele andere und dadurch in der Lage sind, ihre Wohnbedürfnisse zu erfüllen.

Gerade in jüngster Zeit lassen sich viele hier nieder. Das hängt mit dem Aufschwung in München zusammen, drum ist momentan die Nachfrage nach Topobjekten auch weit größer als das Angebot.

Aber warum nicht gleich kaufen? Diese Stadtresidenz kostet eine Viertelmillion Miete im Jahr, warm. Ja, aber gekostet hat sie acht Millionen. Nehmen Sie sechs Prozent für den Baukredit, dann sind Sie bei 480.000 im Jahr plus Tilgung - dann sind Sie ohne Eigenkapital schnell bei 50 000 Belastung im Monat!

Dann doch lieber für 20.000 mieten! Sie bleiben flexibel und können jederzeit kündigen oder wegziehen. Außerdem werden oft Vorstände nach München verpflichtet, die auch repräsentieren müssen - Partys, Abendessen et cetera.

Und für die kurzen Jahre der Verpflichtung lohnt es nicht, ein Haus zu kaufen. Da übernehmen viele Firmen einen Teil der Miete - insofern stellt sich die Finanzierungsfrage weniger. Das heißt, manche ihrer Kunden haben 50.000 netto im Monat, aufwärts. Ja, manche schon. Aber das Gros liegt bei 300 bis 500.000 Mark. Jahresbrutto.

Wenigstens gibts bei Ihnen dann keine nervenden Massenbesichtigungen. Nein, das nicht. Aber momentan interessieren sich schon 30 Kunden für ein Haus dieser Größenordnung. Leider kann ich denen nicht so schnell helfen.

"Anständige Stadtviertel"

Auch die Reichen leiden unter Wohnungsmangel? Bei guten Wohnungen um die 200 Quadratmeter in guter Lage ist es seit zwei Jahren enorm eng. Ich hab' Anrufe aus Düsseldorf, da sind Leute bereit, 5000 Mark für die Miete auszugeben. Die hören dann ein halbes Jahr nichts von uns und erhöhen dann auf sechseinhalb - aber deswegen wird das Angebot auch nicht größer. Solche Topobjekte sind ja vorher immer im Besitz, und da muss sich vor einer Vermietung erst was ändern - Wegzug, Tod, Scheidung oder Auszug der Kinder.

Wer heute in München ein schönes Haus in einem anständigen Stadtteil mit einer anständigen Nachbarschaft mieten möchte und nur 5000 bis 10.000 Mark im Monat hat, der tut sich außerordentlich schwer.

In welchen "anständigen Stadtvierteln" liegen ihre Objekte? Bogenhausen, Herzogpark, Lehel, Haidhausen, Schwabing, Nymphenburg, Solln, Harlaching.

Wie wohnen Sie selbst? Im eigenen Haus in Bogenhausen. Ich war aber auch mal Mieter.

Was war denn die teuerste Miete, die sie je vermittelt haben? 25.000. Aber normalerweise wird ab 10.000 im Monat die Luft schnell dünner.

Und was erleben Sie beim Thema "Kaufen"? Es gibt eine große Nachfrage bis 8 Millionen, aber wir haben auch schon für 10 bis 20 Millionen verkauft.

Deutlich zu spüren: Die Generation der Erben tritt jetzt verstärkt am Markt auf. Viele 28 bis 40-jährige kaufen sich zur Zeit für eineinhalb Millionen eine Eigentumswohnung.

Sind Sie manchmal selbst überrascht, wie viel Geld in der Stadt ist? Ja.

Ende des Gesprächs. Der Reporter hat keine weiteren Fragen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: