Wo essen Restaurantbesitzer?:Der Wirt als Gast

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Dein Wirt, das unbekannte Wesen. Wer weiß schon, was ein Gastronom so treibt, wenn er nicht in seinem Laden waltet. Einkaufen, gut, das muss er, und schlafen auch, wahrscheinlich zu wenig.

Aber hat er überhaupt ein Leben, das nicht mit seiner Wirtschaft zusammenhängt? Geht er in seiner Freizeit joggen, bergsteigen, ins Museum oder ins Kino? Oder geht er gar in andere Wirtshäuser?

Eine kleine Umfrage hat ergeben, dass sehr viele Wirte nicht nur bei sich essen, sondern auch bei der Konkurrenz, mit der sie im übrigen einen meist recht freundschaftlichen Umgang pflegen. Das geht dann so: Der Bär besucht die Post und den Hirschen; in der Woche darauf kommen Post und Hirsch zum Bären, der mittlerweile beim Joschi war, weswegen Joschi dann wieder zum Bären kommt.

Beim Joschi handelt es sich im konkreten Fall um Joschi Lamm, dem Lamm's Heuriger am Sendlinger-Tor-Platz gehört. Sein Lokal ist rund um die Uhr geöffnet, was zur Folge hat, dass quasi jeden Abend oder vielmehr jede Nacht etliche Kollegen bei ihm den anstrengenden Tag ausklingen lassen.

Zu einem kleinen Imbiss

Das bedeutet wiederum, dass Joschi Lamm praktisch in jeder freien Stunde "üwa de Heiser ziagt", wie es in der Sprache seiner Wiener Rutschn heißt. Einmal im Monat aber geht Joschi Lamm ins Nürnberger Bratwurstglöckl am Dom zum Stammtisch - ganz ohne andere Wirte.

Das Bratwurstglöckl gehört auch zu den Lokalen, die Michael Weber, der Chef der Insel-Mühle in Obermenzing, gerne besucht. Tagsüber in der Innenstadt unterwegs, schaut Weber, wie viele seiner Kollegen, des öfteren zu einem kleinen Imbiss und einem Gläschen Wein in der Enoteca von Sigrid Brantl am Frauenplatz vorbei.

Mit Familie und Freunden trifft man sich hin und wieder beim Steirer in der Amalienburgstraße oder in der Trattoria Grissini in der Ungererstraße. Maximilian's Nightclub am Maximiliansplatz ist zum späten Absacken gut.

Lieblingskneipe aber ist die Bit-Stube Moritz in der Theresienstraße, in der der Münchner Wirt mit deftiger westfälischer Kost geatzt wird.

Wirte, rudelweise

Im feinen Gandl am St.-Anna-Platz trifft man Restaurantbesitzer oft mit ihren Familien, nachmittags, wenn die mittägliche Rush-hour ausgestanden ist. In dieser Zeit können beispielsweise Besucher vom Rincon in der Rumfordstraße in aller Ruhe das Angebot der Konkurrenz beschnüffeln. Der Gegenbesuch wird nicht lange auf sich warten lassen.

Wer Wirte rudelweise beim Einkaufen und Probieren - sozusagen auf freier Wildbahn - beobachten will, kann dies in einmaliger weise im Frischeparadies Niederreuther auf dem Gelände des Münchner Schlachthofs. Von halb sechs Uhr in der Früh an hat der Feinkost-Großhändler geöffnet. An einer U-förmigen Theke drängeln sich den ganzen Tag über die Leute.

Eine kleine Speisekarte gibt es zwar, aber die Kunden können sich auch so ziemlich alles zubereiten lassen, was sie im Laden erstanden haben. Holt sich beispielsweise jemand in der Fischabteilung eine frische Seezunge, wird ihm diese auf der Stelle nach Wunsch gebraten.

Obwohl der Gast an dieser Theke eigentlich alles haben kann, was das Herz begehrt, hält sich niemand lange auf, weil es in dieser Halle fast immer abartig kalt ist.

Wo immer dein Wirt, das unbekannte Wesen, einkehrt, tafelt und es sich gut gehen lässt: Nie wird man ihn da antreffen, wo die Preise anfangen, in den Himmel zu fliegen.

Gertrude Fein

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