WM im Internet:Die Fußball-Rebellen

Lesezeit: 2 min

Eine Münchner Agentur besitzt die Internetadresse www.wm2006.de - und vermarktet sie nicht.

Iris Hellmuth

Der erste Blick geht zurück ins Adressenfeld der Internetseite. Moment mal - das muss ein Tippfehler sein. Also noch einmal: www.wm2006.de. Man kann tippen, so oft man will: Unter der prominenten Adresse erscheinen weder offizielle Spielpläne noch Infos über Fifa-Sponsoren. Sondern: ein Comic.

Zeichen gegen den WM-Kommerz: Die Grafikagentur "Treibstoff" und der FC Fleischneck. (Foto: Foto: Treibstoff)

Ein bierbäuchiger Prolet mit Fußballerfrisur und Zigarette im Mund steht vor dem Vereinsheim des "FC Fleischneck". "Hallo ihr Nichtsnutze", lautet seine Begrüßung.

Die Seite ist eine Idee von vier jungen Mediengestaltern aus München. Sie besitzen tatsächlich die Webdomain www.wm2006.de - und lassen damit Fifa oder WM-Organisationskomitee keine Chance. Nicht einmal Werbebanner zieren die Seite, die äußerst schlicht gestaltet ist.

Nur ein paar Links sind darauf, die zu Seiten über verschiedene Weltmeisterschaften im Jahr 2006 führen. Zum Beispiel zur Hockey- oder Bowling-WM. "Wir sind überzeugt, dass all dies interessante Veranstaltungen im Jahr 2006 sind", sagt Johannes Blank - ohne zu lachen. Er meint es ernst.

Blank ist Mitbegründer der Grafikagentur "Treibstoff". Die Domain wm2006.de haben sich die Agenturleute vor etlichen Jahren gesichert - eher aus Zufall und "lange bevor feststand, dass die Fußball-WM nach Deutschland kommt", wie Johannes Blank sagt. "Als bekannt wurde, dass unser Land Gastgeber sein würde, haben wir uns gefreut."

Wer hätte das nicht, schließlich gibt es mit der WM eine Menge Geld zu verdienen. Weshalb das Telefon bei den jungen Münchnern zurzeit nicht mehr stillsteht. Vor allem Wettbüros interessieren sich für die Domain.

"Die sagen dann: Gebt uns die Seite, ihr macht ja gar nichts daraus. Wir zahlen euch, was ihr wollt." Doch die Münchner wollen nichts. Ihre Zurückhaltung verstehen sie als Statement gegen die kommerziellen Auswüchse rund um die WM.

Leicht zu verstehen ist das tatsächlich nicht. Konkrete Summen möchte Johannes Blank nicht nennen - doch das Geld, das ihnen geboten wird, könnte die junge Agentur gut gebrauchen. Aber Blank sagt entschlossen: "So wie die Seite aussieht, macht sie uns Spaß."

3000 Besucher pro Tag

Das merkt man. "Der FC Fleischneck ist der letzte Dreck - keine Taktik, zugedröhnte Geographiestudenten in der Abwehr und ein metrosexueller Kapitän", liest man als Begleittext zum Comic. Mittlerweile zählt die Seite rund 3000 Besucher pro Tag.

Dass sie vor allem von Menschen auf der Suche nach Tickets angeklickt wird, stört die Macher nicht, "im Gegenteil", sagt Johannes Blank: "Die meisten freuen sich doch, dass es da keine original lizenzierten Mini-Fußbälle zu kaufen gibt."

Die Reaktionen haben Treibstoff zu neuen Folgen des Comics inspiriert. Auch aktuelle Ereignisse sollen während der WM in den Zeichnungen verarbeitet werden. Am Ende wird dann ein kleines Booklet herauskommen. Mit allen Zeichnungen - und natürlich der Entstehungsgeschichte von www.wm2006.de.

© SZ vom 31. Mai 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: