Wir testen Clubs: Kalinka:Im russischen Paralleluniversum

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Von klaffenden Fleischwunden, glänzenden Jogginganzügen und Stalin an der Wand. Ein Ausflug ins Paralleluniversum namens "Kalinka".

Julia Weiß

Schweißgeruch liegt in der Luft. Wums. Das Leder prallt mit voller Wucht ins Gesicht. Und nochmal. Und nochmal. Die Nase blutet. Ein Handtuch fliegt in den Ring. Kann der Typ da hinten nicht besser auf sein Handtuch aufpassen? Ach so, das ist das Zeichen, dass einer von beiden aufgibt. Wahrscheinlich der mit der gebrochenen Nase. Ein Russe gewinnt. Wie schon so oft an diesem Abend.

Moskau, Moskau... (Foto: Foto: Julia Weiß)

Der Club Kalinka veranstaltet in der Tonhalle auf dem Kultfabrikgelände ein Box-Event: München gegen Russland. Oder: David gegen Goliath. Zur Party geht's danach in die russsiche Diskothek Kalinka. Sie ist berühmt für ihre besondere Atmosphäre.

Aus den Lautsprechern dröhnt noch "Moskau, Moskau, werft die Gläser an die Wand!" und schon wieder gewinnt der Russe. Ein Vodka muss her. Auf ins Kalinka. Dort warten, wie man hört, 50 verschiedene Vodka-Sorten.

Zunächst aber wartet am Eingang ein überdimensionaler Leninkopf aus Stein. Die Vaterlandsliebe scheint hier groß zu sein. Da fehlt ja nur noch Stalin. Drei Schritte weiter findet man auch ihn: Stalin im Goldrahmen, Stalin im Silberrahmen, Stalin überall. Die Sowjetunion lebt.

Die Wände des Kalinka sind mit rotem plüschigen Samt behangen. A propos Stoff: Wo sind die buntgemusterten, glänzenden Jogginganzüge in Neon-Türkis und Lila, auf die wir gehofft haben? Offenbar zu Hause geblieben. Denn die russischen Clubgäste sind schick: Zumindest die Jungs lehnen in Anzug und Krawatte an der Bar. Die Mädchen ziehen weniger Stoff vor. Bauchfrei und Hothotpants sind Trend, jedenfalls im russischen Paralleluniversum.

Aus den Lautsprechern dröhnt das Volkslied Kalinka. Was sonst. Die Tanzfläche ist voll bis zum Bersten. Bevor Vodkaflaschen an die Wand fliegen, flüchten wir nach draußen. Bitte anschnallen, wir landen.

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