"Wir sollten ein Schild anbringen":Hakenkreuz auf dem Fußboden?

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Prekäres Symbol: Ein Mosaik in der Botanischen Fakultät sorgt für Befremden.

Anne Goebel

Irritierte Blicke zu Boden hat es bei Gästen und Studenten der Botanischen Fakultät schon oft gegeben. Wer das von einer wuchtigen Kuppelkonstruktion überragte Gebäude an der Menzinger Straße betritt, stößt im Foyer auf ein prominent platziertes Hakenkreuz auf den Fliesen.

Das Symbol ist durch seine schwarzen Mosaiksteinchen deutlich vom sandfarben gekachelten Boden abgehoben und fällt jedem auf, der zu den Räumen der Lehrstühle für Pflanzenkunde unterwegs ist. Es gibt von Besuchern häufig Nachfragen, was es mit dem ganz unversteckt präsentierten Emblem auf sich hat.

Und deshalb kennt sich Susanne Renner, Direktorin der Botanischen Staatssammlung mit Büro in der Menzinger Straße 67, auch so gut aus mit dem altindischen Symbol der Swastika: Das rituelle Zeichen des "Sonnenrads" sei in vielen alten Kulturen verbreitet gewesen, das Sanskrit-Wort Swastika bedeutet so viel wie Glücksbringer "und ist auch ein Symbol für Fruchtbarkeit", so Renner.

"Das Hakenkreuz in unserem Haus hat nichts mit den Nazis zu tun", sagt die Botanik-Professorin - und ergänzt: "Was glauben Sie, wie oft ich diese Geschichte schon erzählt habe?"

Dass das Hakenkreuz auffällt, ist nicht verwunderlich, und so war es von den Erbauern der ehemaligen "Botanischen Staatsanstalten" auch gedacht. Entstanden zwischen 1910 und 1914, finden sich im weitläufigen Areal des Neuen Botanischen Gartens mit Gewächshäusern, Verwaltungs- und Institutstrakten allenthalben florale Symbole aus dem Pflanzenreich.

Zeichen der Lebensfülle

In der Treppenhalle des Hauptgebäudes - Baumeister waren Ludwig von Stempel und Ludwig Ullmann - zieren steinerne Ähren, exotische Blüten, saugende Bienen die Säulenkapitelle. An der Wand ein Mosaik mit Fruchtbarkeitsgöttin, Ernte- und Gartenszenen samt Inschrift "Litteris et Floribus" - und davor, auf dem Boden, die schwarze Swastika als Zeichen der Lebensfülle.

Diese Bedeutung des Hakenkreuzes ist nicht jedem geläufig, und die Direktorin Susanne Renner sieht sich mit konsternierten Nachfragen vor allem auch ausländischer Gäste, Studenten und Wissenschaftler konfrontiert, die die Institute besuchen. Immerhin versteht sich die Botanische Staatssammlung, so heißt es auf der in Englisch verfassten Homepage, ausdrücklich als "public center for national and international scientists and private visitors", als öffentliches Zentrum für nationale und internationale Forscher und Privatbesucher.

Dass das prekäre Bodensymbol nichts mit der NS-Zeit in der ehemaligen "Hauptstadt der Bewegung" zu tun hat, weiß Susanne Renner aus einem Buch zur Geschichte des Hauses. Der zeitgenössische Band über die "Hochbauten des Bayerischen Staates aus den letzten Jahrzehnten" widmet sich auch dem Gebäudekomplex an der Menzinger Straße. Ein Foto zeigt die Treppenhalle nach der Eröffnung des Institutsgebäudes 1913, und das abgewinkelte Kreuz am Boden ist darauf deutlich zu erkennen.

Allerdings ist der Band kaum jemandem zugänglich. Und für zusätzliche Irritationen bei Besuchern sorgen außerdem farbliche Unregelmäßigkeiten an dem Bodenmosaik, die aussehen, als sei ein rein dekoratives graphisches Muster manipuliert und nachträglich in ein Hakenkreuz verwandelt worden. Um Klarheit zu schaffen, will sich Susanne Renner jetzt für einen Hinweis im Treppenhaus einsetzen. "Wir sollten eine Tafel anbringen lassen. Ich denke, das wäre der richtige Weg."

© SZ vom 24.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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