Winter-Ispo 2006:Bitte eine Skibrille mit Kamera!

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Hightech-Kleidung und jede Menge modischer Schnickschnack: Die Ispo präsentiert die Neuheiten der Saison.

Von Hans Häuser

Dann geht alles ganz schnell. Christian hüpft zur Kleiderstange, hebt eine Jacke raus: "Rocker-, Biker-Style", hechtet zur nächsten: "Retro, bisschen wie Lederjacke", springt zur dritten: "Nadelstreifen, auch in der Combo mit Hose", landet bei der letzten: "Camou-Style."

Der Kunde schaut verwirrt, aber Christian beruhigt ihn: "Innentasche für Handy oder Mp3-Player haben die mittlerweile alle." So kann es gehen, wenn man am Ripzone-Stand auf der Ispo mal ganz global fragt, was es Neues gibt: Man bekommt alles gezeigt, in atemraubender Geschwindigkeit, mit Einzelheiten, die man nicht wissen wollte, in Ausdrücken, die man nicht richtig versteht.

Deswegen erst mal zwei Begriffe: Retro heißt soviel wie Nostalgie, Camou ist Snowboarder-Sprech für Camouflage, also Kleidung in Tarnfarben. Jetzt in Ruhe ein paar Fakten: Auf dem Messegelände zeigen seit Sonntag 1806 Aussteller, was kommenden Winter, also 2006/2007, auf den Pisten und drumherum modern sein wird. 14 prall gefüllte Hallen, 160 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, Messegeschäftsführer Manfred Wutzlhofer spricht von "der größten Ispo seit Bestehen dieser weltweit führenden Sportfachmesse".

Der Branche geht es gut, die Umsätze wuchsen vergangenes Jahr um ein halbes Prozent auf sieben Milliarden Euro. Bisher war der Winter kalt und schneereich, das lässt auf noch bessere Geschäfte hoffen.

Trotzdem: Die Konkurrenz ist groß, Auffallen Pflicht. Deswegen bläst Björn. Tief atmet er ein, plustert die Backen auf und lässt die Luft in die Jacke strömen. Zwischen zwei Schüben erklärt er: "Das ist super, wenn man am Lift steht oder vor der Hütte sitzt."

Nicht das Blasen an sich natürlich, sondern dessen Wirkung: Zwischen Körper und Kälte bildet sich eine schützende Hülle aus warmer Atemluft - aber nur in der speziellen Airvantage-Weste von Quiksilver, die mit ihrem Ventil und dem Schlauch auf der Brust ein bisschen an eine Rettungsweste im Flugzeug erinnert. Wohlige Wärme mit drei Atemstößen, nur im Paket mit der Airvantage-Jacke, 599 Euro.

Zweifel, ob das nicht etwas teuer sei, zerstreut Daniela Altenried. Sie führt ein Sportgeschäft in Immenstadt und kommt regelmäßig auf die Ispo. "Wenn etwas eine spezielle Funktion hat, kaufen es die Kunden", sagt sie. Der Begriff "Funktion" ist dabei weitestmöglich zu fassen: Im Angebot sind Jacken mit Magnetverschluss, Westen mit Akkuheizung, Skischuhe mit Luftblasen, Ohrenwärmer mit Mp3-Anschluss, Skibrillen mit Fernsehkamera. Letztere verkaufen sich übrigens fantastisch, wie Frederick am Stand von Rip Curl versichert. "Die Leute haben schon lange danach gefragt. Jetzt wird ein Traum wahr."

Bei Toni Sailer preist Christina derweil die Träume von gestern an. "Wir haben viel Klimbim dran, das glitzert so schön", sagt sie, während sie mit der Hand über die Swarovski-Kristalle in silber und rot fährt, die auf fast allen Damenjacken das Markenwappen formen. Es sind erstaunlich dünne, eng geschnittene Jacken, wenn man bedenkt, dass man damit Ski fahren soll. Das findet Christina nicht verwerflich: "Die helfen natürlich nichts in einem heftigen Schneesturm, aber an einem schönen Sommertag sind sie ideal."

An den Krägen prangen echte Tierfelle, Waschbär und Karnikel. Und das nach den 80er Jahren mit weltweiten Protesten gegen Pelze und der jüngsten Entrüstung über Hundefelle auf Modejacken? Christina winkt ab. "Das ist super fashionlastig hier, wir bringen die 50er Jahre wieder." Retro sei doch so in zurzeit.

Retro heißt im Prinzip: Die neuen Trends sind die alten. Das sieht man auf der Ispo an jeder Ecke. Bei Toni Sailer hängen riesige Schwarz-weiß-Fotos in verschnörkelten Holzrahmen. Sie zeigen den legendären Skifahrer 1954, mit elegantem Schwung beim "Burschik-Pokal" am Schneeberg. Am Sportalm-Stand stehen verrostete Milchkannen neben einer abgesessenen Holzbank. Die Schaufensterpuppen halten straßbesetzte Taschen in der Hand. Bei Luis Trenker haben sie eine Bauernstube nachgebaut.

Und dann, wenn man vor lauter topmodischen Accessoires und raffinierten Zusatzfunktionen nicht mehr damit rechnet, steht da plötzlich eine ganz normale Skifahrerin und lächelt. Pernilla Wiberg ist klein und hat feste Oberschenkel, die ihrer Jeans eine gewisse Spannung verleihen. Sie hat für Schweden zwei olympische Goldmedaillen geholt und war viermal Weltmeisterin.

Und weil sie die Titel zumeist im Slalom und Riesenslalom gewonnen hat, darf sie den Mutix R11 von Rossignol anpreisen. Diese Ski sind zwei Paar in einem. Bei der Bindung lassen sich verschiedene Aufsätze aufstecken, die je nach Bedarf optimale Kurvenlage bei Slalom oder Riesenslalom versprechen. Das sei die Zukunft, sagt Wiberg, man müsse jetzt nicht mehr zwei Paar Skier kaufen. Und wenn man mal den falschen Aufsatz gewählt habe, sei das nicht schlimm: "Man kommt auf jeden Fall den Berg runter." Auch ganz elementare Bedürfnisse werden also auf der Ispo befriedigt.

© SZ vom 30.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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