Wildmoser-Prozess:Die Einwürfe des Advokaten

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Stichwort Befangenheit — Irrungen und Wirrungen im Verfahren wegen Bestechlichkeit und Untreue gegen Karl-Heinz Wildmoser junior. Oder: Warum Peter Gauweiler auf einmal im Scheinwerferlicht steht.

Von Stephan Handel

In der vergangenen Woche hat der alte Wildmoser dem Stern ein Interview gegeben, und es mag ihn geschmerzt haben, dass es auf der Seite der Vergessenen erschien, am Ende des Heftes unter der Überschrift "Was macht eigentlich..."

Schlechte Aussichten im Prozess wegen Bestechlichkeit und Untreue: Karl-Heinz Wildmoser junior. (Foto: Foto: Reuters)

Noch kein Jahr ist es her, da saß Karl-Heinz Wildmoser jeden Samstag nach dem Spiel in der Pressekonferenz neben seinem Trainer - was sonst kein Präsident eines deutschen Profi-Fußballclubs macht -, er sprach gerne und ausführlich mit den Journalisten, wobei er nicht müde wurde zu betonen, wie ungern er das eigentlich mache, er kanzelte Trainer, Spieler und Reporter ab, und sein Lieblingssatz war der, dass der Job ihm "null Lebensqualität" lasse, der Job als Präsident des TSV 1860 München.

Ja, warum macht er ihn dann, dachten sich die Leute, wenn er keinen Spaß dran hat, aber Wildmoser hat sich immer wieder wählen lassen, er saß immer weiter jeden Samstag auf der Tribüne und nach dem Spiel in der Pressekonferenz, er raunzte, knarzte und gab das, was er sich wohl unter einem bayerischen Kraftburschen vorstellte.

Jetzt stehen seine Interviews auf der Seite der Vergessenen. Hat Wildmoser das verdient? Oder sein Sohn? Karl-Heinz Wildmoser jr. steht nämlich gerade vor Gericht, und es lässt sich nicht sagen, dass es gut läuft. "Der sieht, dass er den Prozess nicht mehr gewinnen kann - jetzt wird er versuchen, ihn platzen zu lassen."

Das sagte in der vergangenen Woche ein Münchner Staatsanwalt über den Anwalt von Wildmoser jr., also über Peter Gauweiler, der einmal Münchner Kreisverwaltungsreferent war und bayerischer Umweltminister und heute noch CSU-Bundestagsabgeordneter ist.

Stadelheimer Blässe

Der Staatsanwalt hatte Recht: An diesem Montag lud Gauweiler die Presse in seine Kanzlei und teilte mit, er habe die Richterin Huberta Knöringer wegen Befangenheit abgelehnt. Denn Knöringer habe, so stellt es Gauweiler dar, während des Prozesses an einem Zeitungsartikel mitgewirkt, in dem ihre Verhandlungsführung in den höchsten Tönen gelobt wurde - eine Gut-Wetter-Geschichte des Blattes, das die Richterin beim Prozessauftakt als "Frau Gnadenlos" bezeichnet hatte, worüber Huberta Knöringer sehr verärgert war.

Wenn dem Antrag stattgegeben wird, dann ist der Prozess erst einmal zu Ende und muss mit neuen Richtern noch einmal von vorne beginnen.

Doch soweit ist es noch nicht. Noch zählen die Fakten, weshalb man zurückblenden muss zu Wildmoser senior und der Zeit, als er nach Stadelheim kam. Dort ließ er sich einen Teppich mit Löwen-Motiv in die Zelle legen, wartete drei Tage, dann wurde er freigelassen. Wenig später stellte man auch das Ermittlungsverfahren gegen ihn ein.

Dass der Name Wildmoser trotzdem immer noch regelmäßig in den Zeitungen steht, liegt an seinem Sohn. Denn Karl-Heinz Wildmoser jr., den alle "Heinzi" nennen, war auch verhaftet worden am 9. März 2004, aber er blieb in Stadelheim bis heute. Am 30. November begann der Prozess gegen ihn, und weil eine eindrucksvolle Richterin eine Rolle spielt, Huberta Knöringer, und ein Anwalt mit dem Mut zu falschen Entscheidungen, Peter Gauweiler, deshalb gab und gibt es jede Menge zu schreiben.

Der Heinzi hat Geld genommen, so einfach ist das. Es wollten nämlich die beiden großen Münchner Fußballvereine, der FC Bayern und der TSV 1860, gemeinsam ein neues Stadion bauen, draußen in Fröttmaning im Nordosten der Stadt, das bislang als Sehenswürdigkeit nur ein Windrad, eine Kläranlage und ein Parkhaus zu bieten hatte.

Bevor alle Entscheidungen gefallen waren, gab es die in München üblichen Streitereien um dies und das, wozu auch gehörte, dass die Löwen-Fans ihren Präsidenten der Fraternisierung mit dem größten Feind bezichtigten. Schließlich wurde aber, Ende des Jahres 2001, eine GmbH gegründet, und weil beide Vereine dort etwas zu sagen haben wollten, schickten die Bayern Fritz Scherer als Geschäftsführer, ihren langjährigen Vizepräsidenten, Wildmoser aber schickte seinen Sohn. Gleichzeitig wurde Heinzi Geschäftsführer der Profi-Abteilung der Löwen, die aus dem Verein ausgegliedert wurde in eine GmbH & Co. KG.

Für beide Jobs bekam Wildmoser jr. ein Jahresgehalt von jeweils 200.000 Euro, und vermutlich ist ihm das ganz zupass gekommen. Denn bis dahin verdiente er sein Geld hauptsächlich als geschäftsführender Gesellschafter der "Weißer Hirsch Immobilien GmbH", die ihm zusammen mit dem Vater gehörte. Die WHI betrieb ihre Geschäfte hauptsächlich im Osten Deutschlands.

Die Idee

Richterin Huberta Knöringer. (Foto: Foto: dpa)

Weil aber der Immobilienmarkt dort praktisch zusammengebrochen war, ging es der Firma nicht besonders gut - Geld musste her. Da kam ein alter Spezl von Heinzi ins Spiel, Stefan Dung, den er aus der Schule kannte und der mittlerweile auch im Immobilienbereich tätig war. Dung hatte aus verschiedenen Geschäften einige hunderttausend Euro Schulden bei der WHI, ohne Chance, sie bezahlen zu können. Dann aber kam ihm eine Idee.

Dung hatte nämlich mit dem österreichischen Baukonzern Alpine eine Vereinbarung: Wenn er dem Unternehmen Aufträge zubringt, sollte er eine Provision erhalten. Mit Wildmoser junior besprach er im Sommer 2001, dass er die Alpine ja auf die Ausschreibung für das Stadion aufmerksam machen könne, um mit der fälligen Provision seine Schulden bei der WHI zu tilgen.

Und für Wildmoser würde auch noch etwas übrig bleiben - ein gemeinsames Geschäft zweier Makler, so stellen es die beiden heute dar.

Und so geschah es. Die Alpine zahlte rund 2,8 Millionen Euro an Dung. Der leitete davon etwa 2,5 Millionen Euro an Wildmoser weiter, den Rest behielt er. Ein Problem bekamen die beiden, als die Zahlungen bei einer Betriebsprüfung in der WHI auffielen, woraufhin sich der Staatsanwalt einschaltete und Vater und Sohn Wildmoser ebenso wie Dung im März 2004 verhaftet wurden. Nun stehen der Heinzi und sein Spezl vor Gericht: wegen Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung, beziehungsweise, im Fall Dung, wegen Beihilfe dazu.

Denn mittlerweile war Heinzi eben Geschäftsführer der Stadion GmbH geworden, mitten im laufenden Vergabeverfahren, und da wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht vorstellen, dass die Alpine fast drei Millionen Euro nur so bezahlt hat dafür, dass er sie darauf aufmerksam gemacht hat, dass in München ein Stadion gebaut wird, und dass er für sie die Ausschreibungsunterlagen aus dem Internet heruntergeladen hat.

Nein, nein, sagt die Staatsanwaltschaft - da muss schon noch mehr gewesen sein. Heinzi habe den Alpine-Leuten Geheimes aus dem Verfahren verraten, vor allem die Angebote der Konkurrenten. Und genau das wird jetzt vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I verhandelt.

Zweimal die Woche sperrt seitdem die Protokollantin den Gerichtssaal auf, und hinein drängen Reporter, Kiebitze und jede Menge Rechtsanwälte, die dieses Mal aber nicht vorne beim Angeklagten Platz nehmen, sondern hinten im Zuschauerraum: Das sind die Verteidiger der Alpine-Manager, gegen die immer noch ermittelt wird.

Die Anwälte sollen für ihre Mandanten den Prozess beobachten, und während der Verhandlungspausen erzählen sie, sie hätten bei der Anwaltskammer nachgefragt, ob sie die Beobachtung nicht als Fortbildung absetzen könnten. Das meinen sie aber nicht ernst.

Karl-Heinz Wildmoser jr. hat meistens einen Pullunder unter dem Anzug an und trägt im Gesicht "Stadelheimer Blässe", die sich einstellt, wenn einer zu lange in U-Haft sitzt und sich zu viele Gedanken macht. Drei Anwälte sitzen hinter ihm: Gauweiler und zwei seiner Partner. Gauweiler ist ein guter Anwalt, das renommierte Juve-Handbuch nennt seine Kanzlei "geschätzt und etabliert" - allerdings vor allem im Immobilien- und im Baurecht.

Wildmosers Problem

Das ist Wildmosers Problem. Denn ein Zivilanwalt, wie es Gauweiler ist, hat als Prozessgegner für gewöhnlich einen anderen Zivilanwalt. Was der sagt und behauptet, wird erst einmal bestritten. Im Strafprozess hingegen ist der Gegner die Staatsanwaltschaft, was eine Behörde ist, und auch wenn das immer wieder dementiert wird, so gibt es doch eine gewisse Nähe zwischen ihr und dem Gericht.

Der Verteidiger im Strafprozess muss also: kooperativ sein, das Gericht nicht verärgern, für gute Stimmung sorgen, hinter verschlossenen Türen ein wenig drehen und so versuchen, das Beste für seinen Mandanten herauszuholen. Gauweiler hingegen trägt alles in die öffentliche Verhandlung und scheint nicht zu verstehen, dass er so dem Gericht oft keine andere Wahl lässt, als seine Anträge abzuschmettern.

In solchen Momenten sitzen die Anwaltskollegen hinten im Zuschauerraum und schütteln die Köpfe. Am letzten Verhandlungstag vor Weihnachten zum Beispiel bat Gauweiler das Gericht, doch den Stand des Verfahrens zusammenzufassen- ein ungewöhnlicher Vorgang. Huberta Knöringer aber ist eine freundliche Frau, die noch die härteste Entscheidung mit einem warmen Lächeln verkündet.

Eine Münchner Zeitung hatte sie zum Prozessauftakt als "Frau Gnadenlos" bezeichnet, aber das ist ungefähr so, als würde man Peter Gauweiler "Mr. Medienscheu" nennen. Huberta Knöringer ist eine Richterin, die zuhören kann, die versucht, in der Verhandlung eine Atmosphäre des Vertrauens zu erzeugen - und wenn am Ende eine langjährige Haftstrafe herauskommt, dann ist das ja nicht gleich gnadenlos, sondern oft einfach der Buchstabe des Gesetzes. Knöringer fasste also zusammen, und dann sagte sie lächelnd: "Herr Wildmoser, wir sehen Sie im Moment näher an der Verurteilung als am Freispruch."

Ein Alarmzeichen ersten Ranges

Das war nun allerdings ein Alarmzeichen ersten Ranges - ein deutlicher Wink an den Verteidiger zu versuchen, die zu erwartende Strafe für seinen Mandanten möglichst klein zu halten. Und das heißt: Leg' ein Geständnis ab, gib alles zu, dann kann ich verhandeln. In Wildmosers Fall hieße das: Wenn der Prozess zu Ende geführt werden muss, steht wohl eine Haftstrafe von fünf bis sechs Jahren im Raum.

Ein Geständnis bringt einen Bonus von einem Drittel, sodass dann über drei bis vier Jahre geredet werden könnte, was durchaus ein Unterschied ist, die neun Monate Untersuchungshaft werden ja dann auch noch abgezogen.

Aber die Anwälte auf der Zuschauerbank schüttelten wieder einmal die Köpfe über das, was ihr Kollege vorne tat: Nach Huberta Knöringers Rede stand er auf und fragte, ob sie es denn als "unfreundlichen Akt" ansehe würde, wenn er trotzdem einen Antrag auf Entlassung aus der U-Haft stellen würde, jetzt, so kurz vor Weihnachten. Da wurde das Lächeln der Richterin schon ein bisschen maskenhafter, sie sagte, er könne natürlich beantragen, was ihm in den Sinn käme.

Der Antrag wurde selbstverständlich abgelehnt.

Damit war klar, dass Wildmoser jr. kein Geständnis ablegen wird, wenn die Verhandlung an diesem Dienstag fortgesetzt wird. Zum Prozess-Auftakt hatte sein Vater in einem Fernsehinterview gesagt, dass sein Sohn "eine Strafe zu erwarten hat, liegt natürlich auf der Hand". Väterliches Unterlaufen der Unschuldvermutung.

Da hätte er früher wahrscheinlich geraunzt und geknarzt, wenn jemand so etwas über ein Mitglied seiner Familie gesagt hätte. Im Stern-Interview sagte er nun: "Ich fühle mich getäuscht. Aber er ist und bleibt mein Sohn."

Sie können sich ja dann auf der Seite der Vergessenen treffen.

© SZ vom 11.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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