Wettbewerb: Kurzgeschichten:Liebe, Leben, Leid

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Eine Stadt wie München bietet Stoff für unzählige Geschichten: Bei der Menülesung im Postpalast wurden vier Texte in Szene gesetzt - musikalisch und kulinarisch.

Ana Maria Michel

Für einige im Postpalast ist es die erste Menülesung und das Konzept scheint noch nicht ganz klar zu sein: "Wir machen hier einen Kurzgeschichten-Wettbewerb, und zwar schon zum dreizehnten Mal", erklärt Otger Holleschek von H+S Veranstaltungen. "Ich erkläre es, weil ich wirklich immer wieder gefragt werde", sagt er und lacht. Der Wettbewerb steht dieses Mal unter dem Motto "München".

Ein normaler Kurzgeschichten-Wettbewerb ist das, was an diesem Abend geboten wird, aber nicht. Vor jeder Geschichte gibt es eine musikalische Interpretation von der Band Kofelgschroa aus Oberammergau, dann wird die Geschichte vorgelesen und darauf folgt die kulinarische Interpretation derselben.

Vier Geschichten wurden aus 500 Einsendungen von einer Jury ausgewählt. "Dieses Mal waren viele Grantler-Geschichten dabei", sagt Holleschek. Viele Einsendungen seien von "Ausländern" gewesen - also von Berlinern zum Beispiel - die sich über München, die Hochburg des Schickimicki, ausgelassen hätten.

Solche Texte hat man scheinbar satt, denn eine Grantler-Geschichte hat die Jury nicht ausgewählt. Die Juroren kennen sich aus in Sachen Literatur: Amelie Fried von der Literatursendung Die Vorleser, Michael Krüger vom Hanser-Verlag, Manuel Braun, Literaturprofessor an der Universität Stuttgart, zwei akademische Rätinnen der LMU und eine Lektorin von Randomhouse haben die vier besten Texte ausgesucht.

Gelesen werden diese von dem Sprecher und Schauspieler Johannes Steck, der die Texte mit tiefer, eindringlicher Stimme vorträgt. Er kann sich bei manchen Passagen das Lachen nicht verkneifen - zum Beispiel wenn in einer Geschichte männliche Geschlechtsteile wie Plätzchenteig behandelt werden. Liebes-, Lebens- und Leidensgeschichten werden dargeboten. Die ersten drei Texte zählen vor allem in die letzte Kategorie, denn sie handeln von Männern, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen.

Ein Song für den Kartoffelsalat

Vor der ersten Geschichte spielt die mit Blasinstrumenten und Akkordeon ausgestattete Band Kofelgschroa den Song Kartoffelsalat: "Für drei Euro einen Kartoffelsalat - da weiß ich, was ich hab'", heißt es da. Der erste Text: Ein 18-jähriger ehemaliger Kart-Fahrer sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. In einem Billard-Salon - Klenze-/Ecke Rumfordstraße - lerne er "Koala mit der Cola" kennen, die ihn mit nach Hause nimmt. Machtspiele und Sehnsucht nach Liebe sind die Zutaten dieser nicht unbedingt jugendfreien Geschichte mit dem Titel "Licht in der Frauenstraße".

Darauf folgt der erste Gang: "Münchner Sushi". "Mein Gericht hat so viel mit München zu tun wie die Geschichte", sagt Manuel Reheis vom Restaurant Broeding. Beiden gemeinsam sei, dass der Hauptbestandteil weiß ist. In diesem Sinne geht es weiter: Das Hauptgericht - Boef à la mode mit "erigiertem Serviettenknödel" wird angekündigt, nachdem die dritte Geschichte über eine gescheiterte Liebesnacht mit dem Titel "Juttas Brust", die in einer Münchner Boazn beginnt und in Juttas Bett endet, vorgelesen wurde.

Die vierte Geschichte ist so vielschichtig wie das danach servierte Dessert. "Wir mögen uns, aber nicht jeden Tag" handelt von einer Reisegruppe aus in Amerika lebenden Israelis, die in München Orte der Vergangenheit besichtigen. München hält sich auch hier dezent im Hintergrund und bleibt Schauplatz, es geht um die unterschiedlichen Charaktere und ihre Konflikte.

Die Qual der Wahl

Im Anschluss hat das Publikum die Qual der Wahl, der Publikumspreis wird vergeben: Jetzt erst zeigen die vier Autoren ihre Gesichter und es wird klar, in welcher Liga dieser Kurzgeschichten-Wettbewerb spielt: Der bekannte Münchner Krimischriftsteller Friedrich Ani betritt die Bühne.

"Es geht um die Geschichte", sagt Holleschek, deshalb sei der Wettbewerb anonymisiert. Ani stellt sich als Autor der ersten Geschichte heraus. Er landet vor Werner Duck, dem Autor der zuletzt gehörten Geschichte, auf Platz drei. Neben dem Publikumspreis wird außerdem der Federwelt-Jurypreis verliehen - dieser geht an Ani, der nun doch auf der Party im Anschluss mittanzen und -feiern muss.

"Juttas Brust" von Roland Krause landet auf dem zweiten Platz. Der Gewinner des Abends ist Andreas Kurz, Autor der zweiten Geschichte: Grünwald wurde vor dem Zwischengang - einer sizilianischen Spezialität - vorgelesen. Mit Science-Fiction-Elementen erzählt Kurz die Geschichte von einem Mann, der das Haus seines Chefs bei einer Betriebsfeier in Brand setzt. Der Chef wird, dank einer exklusiven Betmaschine, die in der Lage ist, Charisma zu steuern, von all seinen Angestellten geliebt. Auf der Betriebsfeier in der Grünwalder Villa rastet derjenige, der ihn trotzdem über alles hasst, aus.

Kurz, der bei der Menülesung nicht zum ersten Mal auf der Bühne steht und mit einer Veröffentlichung im RedBulletin belohnt wird, hält stolz einen Scheck über 750 Euro in den Händen. Zum Schluss fordert Holleschek alle dazu auf, das zu leben, was in den Geschichten vermittelt wurde.

Machen Sie sich selbst ein Urteil über die Geschichten und die Realisierbarkeit ihrer Botschaften im Alltag. In kürze können Sie die vier Gewinnergeschichten auf sueddeutsche.de lesen.

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