Wende im Neonazi-Prozess:Reiner Tisch, schmutzige Wäsche

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Zwei seiner Mitangeklagten haben im Prozess um den geplanten Anschlag auf das neue jüdische Zentrum in München Geständnisse abgelegt. Der mutmaßliche Haupttäter Martin Wiese behauptet: "Die haben gelogen."

Im Münchner Terrorprozess um einen geplanten Neonazi-Anschlag auf das Jüdische Zentrum haben zwei der vier Angeklagten überraschend Geständnisse abgelegt. Der mutmaßliche Haupttäter Martin Wiese streitet weiter alles ab.

David Schulz (Foto: Foto: ap)

David Schulz und Alexander Maetzing ließen von ihren Anwälten vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht Erklärungen verlesen, in denen sie alle gegen sie erhobenen Vorwürfe einräumten.

"Ich will nach reiflicher Überlegung reinen Tisch machen", ließ Schulz erklären. Er räumte ein, dass ihm die rechtradikalen Ansichten von Wiese bewusst waren und dass die so genannte Kameradschaft Süd über Sprengstoff verfügte.

Weiter teilte er mit, dass er sich Gedanken darüber gemacht habe, was mit dem Sprengstoff passieren solle. Er habe an Anschlagspläne gedacht. Zugleich betonte Schulz: "Es tut mir alles wahnsinnig leid."

Der Mitangeklagte Alexander Metzing räumte ein, an der Beschaffung von Waffen beteiligt gewesen zu sein. In der Gruppe sei darüber diskutiert worden, was mit dem gesammelten Sprengstoff geschehen solle. "Alle nahmen in Kauf, dass das Material auch eingesetzt wird."

Als mögliches Anschlagsziel sei auch über den Jakobsplatz nachgedacht worden, an dem das neue Jüdische Zentrum entstand. Es habe aber keine detaillierte Planung gegeben. Und doch: "Ich hätte Gewalt angewandt, wenn es von mir verlangt worden wäre", ließ Maetzing erklären.

Zugleich versicherte Metzing: "Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. Ich bedaure alles zutiefst. Gewalt darf keine Lösung sein."

Wiese: "Wir sind keine Terroristen"

Im Gegensatz dazu hat der Hauptangeklagte Martin Wiese mögliche Attentatspläne erneut bestritten. Seine beiden früheren Mitstreiter hätten nicht die Wahrheit gesagt, sagte Wiese vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht. "Wahrscheinlich haben die beiden einen Deal gemacht, jedenfalls haben sie gelogen." Er sei "menschlich und kameradschaftlich sehr enttäuscht".

Der Hauptangeklagte hatte zuvor versichert, dass "zu keiner Zeit" ein Anschlag auf das jüdische Zentrum geplant gewesen sei. Wiese betonte: "Wir sind keine Terroristen." Er sei auch nie bereit gewesen, "Gewalt auszuüben oder gar Menschen zu töten".

Er habe lediglich "dumme Sprüche" gemacht, die aber nicht ernst gemeint gewesen seien. So habe er einmal in Erregung gesagt: "Wir sprengen den Scheiß in die Luft." Dies werde ihm aber nun zu unrecht als Tatankündigung zur Last gelegt.

Der 29-Jährige übernahm die alleinige Verantwortung für die Beschaffung von Sprengstoff und Waffen. "Das war mein Fehler." Er habe das Material verkaufen wollen und mit dem Geld den politischen Kampf finanzieren wollen.

Überraschender Zeitpunkt

Wieses Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung zeigte sich völlig überrascht von den Geständnissen. "Das sind Versuche, zu Lasten der Wahrheit den Kopf aus der Schlinge zu ziehen und zu Lasten Wieses billig davon zu kommen", sagte er.

Bundesanwalt Bernd Steudl wertete die Erklärungen als "Wende in diesem Verfahren". Nach der Beweislage seien die Erklärungen in der Sache nicht überraschend, wohl aber der Zeitpunkt. Der Anwalt von David Schulz sagte, das Geständnis sei möglichst lange geheim gehalten worden, "um Störfeuer zu vermeiden". Die Verteidiger der beiden geständigen Angeklagten erhofften sich mildere Strafen für ihre Mandanten.

Grundsteinlegung im Visier

Die Bundesanwaltschaft wirft dem mutmaßlichen Rädelsführer Wiese und seinen Anhängern der rechtsextremistischen Kameradschaft Süd vor, für den Tag der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums im München am 9. November 2003 ein Bombenattentat geplant zu haben.

Nachdem die Kameradschaftsmitglieder diese Pläne wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in einer anderen Sache verworfen hätten, sollen sie über einen Anschlag auf dem Münchner Marienplatz nachgedacht haben. Die Pläne waren durch den Einsatz eines V-Mannes und durch einen so genannten Lauschangriff aufgeflogen.

© sueddeutsche.de/AP/dpa/ddp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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