Weihnachten:Der Christbaum als Billigware

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Mit friedlichem Fest hat es wenig zu tun: Auf Münchens Plätzen herrscht derzeit Preiskampf. Die Christbäume, die sich zehntausende Familien übermorgen in ihre Wohnzimmer stellen, sind hart umworbenes Gut geworden.

Von Doris Näger

(SZ vom 22.12.03) — Die Konkurrenz wächst. Immer mehr Supermärkte, Tankstellen und Autohäuser bieten das Grün zu Ramschpreisen an, bayerische Händler schauen derweil in die Röhre und haben Absatzprobleme. Gleichzeitig sinkt über die Jahre hinweg der Preis, weil das Angebot an Nordmann-Tannen so groß ist. Zumindest derzeit noch - die Preise der besseren Bäume ziehen an.

Egal, ob auf der Theresienwiese oder in Schwabing, die Händler sind sich einig: Das Geschäft läuft schlecht. "Seit jeder Laden, und hat er noch so wenig mit Pflanzen zu tun, die Bäume zu Billigstpreisen anbietet, haben wir Probleme", sagt eine Händlerin, die Bäume aus Dänemark verkauft. Natürlich sei die Billig-Konkurrenz dramatisch, bestätigt Thomas Emslander, Vorsitzender des Arbeitskreises bayerischer Christbaum-Erzeuger.

Dumping?

Wenn eine Supermarktkette 4000 Christbäume zu einem Euro das Stück verkaufe, legten die aber bestimmt jeweils vier Euro drauf, nur damit die Leute sich zu weiteren Käufen locken lassen. Das seien aber Bäume dritter Wahl, die schon Wochen vor dem Fest geschlagen und nicht gut gewachsen seien.

Christbäume in München werden zu einem Drittel in Geschäften verkauft, zu einem weiteren im Umland direkt von den Höfen, und zudem auf Dutzenden von Plätzen. Zuständig für die Genehmigung eines öffentlichen Christbaumverkaufs ist die zuständige Bezirksinspektion.

Weniger Gewinn

Die Händlerfamilien haben teils seit Jahrzehnten ihre Stammplätze - auch Dutzende gleichzeitig. "Für Nichtmünchner ist es quasi unmöglich, noch freie Plätze zu bekommen", sagt einer, der in Schwabing Bäume aus Vilshofen verkauft. Jede Ecke sei schon besetzt, weil vor ein paar Jahren jeder gedacht habe, da sei das große Geschäft zu machen. Doch im Gegensatz zu den 80er-Jahren erziele man keinen großen Gewinn mehr.

Die Konsequenz: Auch dänische Großförstereien, die übrigens auch auf Plantagen in Deutschland oder Polen anbauen und damit etwa die Hälfte der deutschen Nachfrage bedienen, wenden sich vom Produkt Christbaum ab und verringern die Neupflanzungen. Schon im nächsten Jahr werden die Käufer das kleinere Angebot zu spüren bekommen. Die Preise werden anziehen, prognostiziert Arbeitskreis-Vorsitzender Emslander.

Riesige Mengen

Vielleicht ist das die Chance für einheimische Bäume: Hierzulande wurde laut Emslander lange Jahre der Weihnachtsbaum-Anbau behindert. Vor etwa 15 Jahren kam jedoch der Umschwung. Viele Land- oder Forstwirte sattelten um. Die Bäume, die sieben bis zehn Jahre wachsen, kamen fast gleichzeitig in riesigen Mengen auf den Markt und drückten die Preise.

Die Händler auf den Plätzen verlieren Marktanteile aber nicht nur an die Billig-Konkurrenz, sondern auch an den "Erlebniseinkauf" ab Hof. Dort gebe es zu jedem Baum einen Glühwein gratis, einen Nikolaus und eine Krippe - dieses Ambiente ließen sich die Leute etwas kosten. "Und sie können noch einen vernünftigen Preis erzielen", freut sich Emslander.

Schnäppchen möglich

Gegen die Billig-Konkurrenz absetzen will sich auch eine Initiative des Bayerischen Waldbesitzerverbands. 100 Forstwirte in Bayern kennzeichnen mit einer rotgoldenen Banderole hier gewachsene Bäume, die nicht vor dem 15.Dezember geschlagen wurden. Bisher kann man diese Bäume aber auch nur direkt vom Hof kaufen.

Egal, ob sich Münchner Familienväter und Single-Frauen nun für dänische oder bayerische Bäume entscheiden, eines ist sicher: Wer seinen Baum bei einem Straßenhändler erst an Heiligabend kauft, könnte unter Umständen noch ein Schnäppchen machen.

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