Wegen neuem Gesetz:Vor Münchens Müllkraftwerken türmt sich der Abfall

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Allein das Gewerbe verdreifacht die Entsorgung auf 168.000 Tonnen - trotzdem sollen die Gebühren nicht steigen.

Martin Hammer

Im Münchner Heizkraftwerk Nord wird es eng. Die Öfen sind bis "zur Halskrause" ausgelastet und können die extrem gestiegene Müllmenge kaum noch aufnehmen.

Beim Heizkraftwerk Nord stehen Müllwagen Schlange. (Foto: Foto: ddp)

Der Müllbunker zur Zwischenlagerung ist randvoll, der aufgetürmte Abfall blockiert die Anlieferboxen, und auf den Zufahrtswegen zum Kraftwerk stehen die Müllwagen Schlange.

Teilweise habe es bis zu zweistündige Staus gegeben, sagt Helmut Schmidt, zweiter Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM). "Wir stehen unter massivem Druck."

Seit am 1. Juni dieses Jahres eine neue Vorschrift in Kraft getreten ist, die die Lagerung von brennbaren Abfällen auf Deponien untersagt, ist in Deutschland der Müllnotstand ausgebrochen. Vor allem Gewerbebetriebe hätten in den vergangenen Jahren ihren Abfälle zum Dumpingpreis auf Deponien in Ost- und Norddeutschland entsorgt, erklärt Axel Markwardt, Stadtdirektor im Kommunalreferat - diese Möglichkeit gibt es nun nicht mehr.

Auf lockere Vorschriften spekuliert

Mit steigenden Müllmengen hat der AWM deshalb gerechnet, doch von der Dimension sei man überrascht, so Schmidt. Allein aus München seien 100.000 Tonnen Gewerbemüll jährlich in Richtung Norden verschoben worden. Mehrmals habe man versucht, die Gewerbebetriebe auf die Problematik hinzuweisen, doch immer habe es geheißen: "Wir haben alles im Griff". Viele hätten wohl darauf spekuliert, dass die Vorschrift nicht streng umgesetzt werde.

Beim Müllkraftwerk in Unterföhring, das eine jährliche Kapazität von rund 700.000 Tonnen hat, sind die Liefermengen zum 1. Juni mit einem Satz um 3000 auf 16.500 Tonnen wöchentlich gestiegen. 300 zusätzliche Müllwagen fahren seitdem jede Woche das Kraftwerk an. Allein der Gewerbemüll der Münchner Betriebe dürfte sich in diesem Jahr auf 168.000 Tonnen fast verdreifachen.

Dazu kommen stark wachsende Abfallmengen aus Donauwald, Miesbach, Weilheim-Schongau und Südwestthüringen. Um die Auslastung des Heizkraftwerks sicherzustellen, hatten die Münchner in den vergangenen Jahren Müll von anderen Kommunen akquiriert - meist zu billigeren Entsorgungspreisen.

Im Notfall kommt der Müll in die Schweiz

Während nach Angaben des AWM die Hamburger nun schon mit einer verspäteten Leerung ihrer Mülltonnen rechnen müssen, sei die Entsorgung des Münchner Mülls weiterhin gesichert. Um die Engpässe abzufedern, habe man verschiedene Maßnahmen ergriffen, erklärt Schmidt. Auf der Mülldeponie Nord-West könnten nun notfalls bis zu 20.000 Tonnen Abfall zwischengelagert werden. 3000 Tonnen haben sich bereits angesammelt.

Bei größeren Störfällen, wenn zwei der vier Öfen gleichzeitig ausfallen, müsste der Müll zu anderen Verbrennungsanlagen umgeleitet werden. Derzeit werde mit Kollegen in der Schweiz über solche Notfälle verhandelt.

Um die Müllmengen generell zu reduzieren, wurde die Anlieferung bestimmter gewerblicher Abfallsorten zur energetischen Verwertung auf dem Niveau des ersten Halbjahrs eingefroren, alle gelieferten Abfälle sollen vor Ort noch stärker kontrolliert werden. "Außerdem appellieren wir an die Münchner Betriebe, ihre Mülltrennung zu optimieren", sagt Schmidt.

Eine leichte Entspannung erhofft sich der AWM von auslaufenden Lieferverträgen Ende des Jahres, doch der Druck werde wohl die nächsten zwei Jahre anhalten. Dann sollen neu entstehende Verbrennungsanlagen in Deutschland für Entlastung sorgen.

Auf die Abfallgebühren für die Münchner habe die momentane Situation keine negativen Auswirkungen, betont Schmidt - "ob es positive Effekte gibt, wird man sehen". Denn das Deponieverbot für brennbaren Müll werde beim Heizkraftwerk Nord dauerhaft für eine optimale Auslastung und damit für sichere Einnahmen sorgen.

© SZ vom 20.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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