Wahlparty im Amerika Haus:Fahnen, Fingerfood und Fernseher

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Wenn es nach ihnen ginge, wäre Kerry jetzt Präsident: Rund 800 Amerikaner, USA-Fans und Politikinteressierte haben im Amerika Haus abgestimmt, Fahnen geschwenkt und mitgefiebert.

Von Lisa Sonnabend

Um 23 Uhr steht das Ergebnis fest: 627 Stimmen für Kerry, 72 für George Bush, 35 für Nader. Kerry gewinnt souverän mit 85 Prozent die Wahl zum Präsidenten der USA - vorausgesetzt: die Gäste der Wahlparty im Münchner Amerika Haus hätten gewählt.

Die Freiheitsstatue kam auf die Wahlparty ins Amerika Haus. (Foto: Foto: son)

Etwa 10.000 Amerikaner leben in Bayern, rund 2000 sind es allein in München. Seit 1947 bietet das Amerika Haus in München ein Forum für einen deutsch-amerikanischen Gedankenaustausch.

Lange bevor das erste Wahllokal in den USA schließt, wird hier bereits die Wahl als Ereignis gefeiert. Mehr als 800 Amerikaner und Deutsche, Konservative und Liberale, junge Studenten und ältere Vereinsmitglieder sind ins Amerika Haus gekommen, Girlanden, Fahnen und Luftballons in Rot-Weiß-Blau lassen Disneyland-Atmosphäre aufkommen.

Die Besucher tragen Hüte, Hemden, Krawatten in den Farben der US-Fahne. Mit Ansteckern und Aufklebern zeigen sie, wem sie ihre Stimme gegeben haben oder geben würden. Sie essen Maiskolben, Würstl und Donuts. Die Freiheitsstatue und "Uncle Sam" laufen auf Stelzen durch den Raum. Eine Big-Band spielt.

Böse Blicke für den Außenseiter

"Die Stimmung hier ist toll", sagt die Amerikanerin Laura Weiser. "Bei all den Kerry-Anhängern vergesse ich fast meine Befürchtung, dass erneut Bush gewinnen könnte." Auch Tom freut sich: "Schön, dass ich nicht daheim alleine vor dem Fernseher sitze, sondern mit so vielen anderen Demokraten feiern kann."

Josef Hueber, der einen rot blinkenden Herzanstecker mit dem Konterfei von Bush trägt, ist an diesem Abend ein Außenseiter. "Die meisten schauen mich hier böse an, weil ich nicht für Kerry bin", sagt Hueber und holt sich eine zweite Tasse Kaffee. Die Nacht ist noch lang.

Auch Paul Comaroto aus San Francisco ist Republikaner. Mit Brille, Anzug und Amerika-Krawatte blickt er zuversichtlich einem Wahlsieg von Bush entgegen. "Hier in Deutschland bin ich wahrscheinlich der einzige Bush-Wähler", scherzt Comaroto. "Aber er wird trotzdem wieder Präsident werden, weil er im Bereich Wirtschaft einfach viel besser ist als Kerry."

Wählen mit dem Plastikspieß

Für Adam aus Florida wird die Wahl in jedem Fall schlecht ausgehen. Der Nordistik-Student mit Bart hat weder die Demokraten noch die Republikaner gewählt, sondern die kleine Partei Libertarians. "Für Overseas ist das Wahlsystem in Florida noch verrückter als für die Wähler vor Ort. Ein Wunder, dass meine Stimmabgabe geklappt hat", erzählt Adam.

Da Tobi Bauer aus Landshut nicht wählen durfte, will er sich wenigstens bei einem Quiz über US-Präsidenten wie ein Wähler aus Florida fühlen: Mit einem Plastikspieß vom Buffet stanzt er seine Lösungsvorschläge in das Antwortblatt. "Dann erkennt später keiner, welche Antwort ich eigentlich gewählt habe. Wenn ich Glück habe, denken die Auszähler, dass ich Bush, äh, richtig gestanzt habe", sagt Bauer.

Müdigkeit macht sich breit

Das Buffet ist abgeerntet, das Wahlergebnis lässt auf sich warten. Patriotismus hin oder her, um 23 Uhr machen sich die ersten auf den Heimweg. Um ein Uhr finden sich nur noch ein paar Hartgesottene. Die Putzfrau beginnt mit dem Aufräumen, die Tafel mit den Buffet-Resten wird abgebaut.

John Savee von der Gruppe "Munich 4 Kerry" tippelt in der VIP-Lounge im dritten Stock nervös von einem Fuß auf den anderen. Es wird ernst. Monate lang hat er für die Demokraten Wahlkampf gemacht: Drei Mal ist er in die USA gereist, hat auf Demonstrationen Transparente geschwungen - und sogar mit John Kerry persönlich geredet. "Ich habe Kerry ins Amerika Haus nach München eingeladen. Er will bald vorbeischauen", sagt er stolz.

Vielsagende Aufkleber

Zwei Uhr: Das Ergebnis aus Florida steht an. Die meisten Party-Gäste sind bereits nach Hause gegangen. Die Durchhalter sammeln sich an den zahlreichen Bildschirmen, machen lange Hälse. Die Ergebnisse der einzelnen Staaten werden diskutiert, man spricht sich Mut zu.

Amerikanistik-Student Dominik Raabe hat schon vorher gewusst, wer die Wahl gewinnen wird. Bei seinem Studienaufenthalt im "Swingstate" Ohio hat er die Wahl-Aufkleber auf den Stoßstangen der vorbeifahrenden Autos gezählt. Ergebnis: 80 zu 20 Prozent für Bush.

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