Wahlkampf:Erst mal sehen, was Joschka sagt

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Claudia Roth, Margarete Bause - sie allein hätten bei der Kundgebung der Grünen auf dem Marienplatz keinen Blumentopf gewonnen. Der Star war Joschka Fischer. Natürlich.

Von Patrick Bernau

Grün ist es auf dem Münchener Marienplatz schon lange bevor Joschka Fischer auf die Bühne tritt: Fußballfans in den grün-weißen Trikots von Celtic Glasgow, am Abend Gegner des FC Bayern, haben den Platz schon besetzt, als noch die Bühne aufgebaut wurde, auf der der Außenminister die Münchener zu grünen Kreuzen bewegen wollte. Und sie sangen, die Schotten.

Joschka Fischer auf dem Marienplatz. (Foto: Foto: Bernau)

Sie singen immer noch, als Ex-Parteichefin Claudia Roth redet. Und auch noch, als die grüne Landesvorsitzende Margarete Bause fragt, was die Landesregierung mit fünf Milliarden Euro Privatisierungserlösen gemacht hat. Der Alkohol hat aus dem Gesang derweil längst ein Gegröle gemacht.

"Das ist doch gut, wenn man Roth und Bause nicht hört"

Josef Netzer applaudiert den Schotten trotzdem. Demonstrativ. "Das ist doch gut, dass die so schreien. Dann hört man die da vorne nicht." Roth und Bause sind unten durch bei ihm. "Ich bin politisch neutral. Aber wenn die sagen, dass Bayern Geld aus Privatisierungserlösen hat, das sonst keiner hat: Wo ist dann das Geld von der Post und von UMTS hin? Hat das nicht der Bund?"

Nur in einen setzt der 58-jährige Schwabe noch Hoffnung: "Jetzt mal sehen, was der Fischer sagt. Der argumentiert normalerweise differenziert."

Fischer bleibt der Star der Grünen, auch an diesem Mittwochabend auf dem Marienplatz. Der einstündigen Rede des Außenministers hören nach Polizei-Schätzungen 2000 Menschen zu. Bei Claudia Roth und Margarete Bause waren höchstens halb so viele vor der Bühne gestanden.

Fischer zieht. Zum Beispiel ein Ehepaar in den Fünfzigern, das über den Marienplatz laufen will. Er hat eine Holzmadonna auf dem Arm - aber damit kommt er nicht an der Absperrung vorbei. Eine Ordnerin will die beiden umleiten. Sie schimpfen. Daraufhin zeigt ihnen die Ordnerin den Slogan auf ihrem Wahlkampf-T-Shirt und erklärt, was auf der Bühne los ist.

"Mal sehen, ob er anders aussieht als im Fernsehen"

Da lässt die Frau ihren Mann stehen und läuft rein. "Ich wollte nur mal sehen, ob er anders aussieht als im Fernsehen", sagt sie. Was er sagt, interessiere sie nicht. Sie kenne schon viele Wahlversprechen, auch von anderen Parteien, und glaube ihnen nicht mehr. "Er sieht genauso aus", befindet sie und marschiert zurück zu ihrem Mann.

Diese Frau ist eine Ausnahme; nur wenige gehen, bevor Fischer fertig ist. Und wenn der Außenminister auf dem Podium für die Bürgerversicherung wirbt, kommt das an. Auch bei denen, die sich für seine Politik sonst weniger interessieren.

Student Sebastian zum Beispiel hätte lieber im Park in der Sonne gelegen als auf dem Marienplatz zu stehen. Nur seiner Freundin zuliebe hat er sich mit ihr aufs Rad geschwungen.

Eine Kasse für alle

Während Fischers Rede ist er ins Grübeln gekommen. "Bei der Krankenversicherung läuft was schief. Da muss der Staat Millionen zuschießen", überlegt er. Eine Kasse für alle findet er gar nicht schlecht - wenn auch etwas anders, als Fischer sie sich vorstellt: "Man sollte sich generell privat versichern lassen. In der Wirtschaft passen sie schon auf, dass sie nicht pleite gehen."

Und vielleicht hat der Außenminister auf dem Marienplatz sogar eine Wählerstimme gewonnen. Ralf Lauter will sich sein Kreuz am Sonntag jedenfalls noch mal "sehr genau überlegen". Obwohl das bei der Landtagswahl gar nicht zur Entscheidung ansteht, hat ihn Fischers Konzept zur Bürgerversicherung überzeugt: "Es nervt mich, dass ich als gesetzlich Versicherter schlechter dran bin als andere Leute." Der Münchener war nur wegen Fischer auf den Marienplatz gekommen. Roth und Bause hat er sich gar nicht angehört.

Die Freundin von Rolf Lauter hat sich ein Plakat mit Fischers Foto gesichert. "Das häng' ich mir auf." Wie bei einem Popstar.

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