Vorschlag-Hammer:Tanz in den Mai

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Auch Feiern ist eine Kunst. Das Staatsballett lässt sich für 25 Jahre eigene Existenz hochleben, das Publikum feiert Richard Siegal

Von Eva-Elisabeth Fischer

Auch Feiern ist eine Kunst. In Berlin beherrscht man sie, obgleich die Stadt bekanntlich arm ist. Nach einer Premiere lässt es schon mal das ganze Publikum krachen - egal ob bei Fingerfood und Champagner oder Gulaschkanone und Flaschenbier. Beim Bayerischen Staatsballett wollte man jetzt auch mal feiern - nämlich 25 Jahre der eigenen Existenz, die beispielsweise nicht nur künstlerische Autonomie, sondern auch einen eigenen Etat garantiert. Davor hatten die Zuschauer die Paarung von Schönheit und Intelligenz im aufregenden "Portrait Richard Siegal" gefeiert, der Premiere der Ballettfestwoche. Vielleicht hat ja nach diesem Triumph der kunstsinnige Chef-Adlatus des Kunstministers an diesem fulminanten Abend beschlossen: Siegal wird, wenn Igor Zelensky die Liška-Nachfolge antritt, als Hauschoreograf ans Haus gebunden - ein trefflicher Anlass für heftigstes Korkenknallen. Der begehrte amerikanische Choreograf ist ja zurzeit nicht nur choreographer in residence an der Muffathalle, wo er sein neues Stück für die Ruhrtriennale probt, sondern auch in Berlin und Paris verankert. Unbedingt vormerken: Das "Portrait Richard Siegal" am 8. Mai beim Festival Dance.

25 Jahre Staatsballett sollten also tatsächlich mit einer Tanznacht betanzt werden, mit einem Salon-Orchester im Königssaal samt Staatsballettmitgliedern als hochnobligen Walzer-Eintänzer. Zunächst begaben sich feierwillige Premieren-Zuschauer auf Schnitzeljagd durchs Haus, um 19 Euro Eintritt abzudrücken und sich dann auf drei Etagen vor einsamen Musik-Combos zu verdrücken. In den Wandelgängen- gähnende Leere: Man erschrak regelrecht, wenn zum Beispiel Johan Simons mit Lukas Crepaz von der Ruhrtriennale unerwartet um eine Säule bog, auf der Suche nach Menschen in Feststimmung.

Ja, ja, München ist reich, aber offenbar nur punktuell sexy. Dann zum Beispiel, wenn die Pinakothek der Moderne zu einer Party fürs junge Publikum einlädt, die Veranstaltung binnen drei Stunden ausverkauft ist und 6000 Facebook-Zusagen unberücksichtigt bleiben müssen. Man fürchtet, dass das "Tanzland Deutschland" des Staatsballetts mit dem sexy Titel "Deutsches Tanztheater nach 1945" am 30. April (18 bis 24 Uhr, mit Reinhild Hofmann als Gast) und 1. Mai (10 bis 17 Uhr) mangels Publizität untergeht. Dabei wird da an zwei Tagen im Rio Filmpalast eine bemerkenswerte Auswahl von Filmen über das Wirken der Protagonisten des Tanztheaters nach 1968 gezeigt, über Reinhild Hoffmann, Gerhard Bohner und Pina Bausch, die über Kurt Jooss an den Ausdruckstanz vor dem Nationalsozialismus anknüpfte. Und dann: der kämpferische Hans Kresnik, der derzeit an der Berliner Volksbühne die "100 Tage von Sodom" probt. Hingehen! Vergangene Revolutionen feiern! Die Suppe kommt im Henkelmann. Programm unter www.staatsoper.de/staatsballett/geschichte.html.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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