Vorschlag-Hammer:Nämlich nicht dämlich

Lesezeit: 1 min

Wer Sprachgewalt sucht, sollte Immobilien-Anzeigen lesen - oder die werbewirksamen Erfindungen bei Bühnennamen studieren

Von Michael Zirnstein

Wer Sprach-Gewalt sucht, sollte Immobilien-Anzeigen lesen: Da wird eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Au vom Makler als "Investition in die Zukunft" angepriesen. Was das heißt, versteckt er im Sonstigen: Die Eigentümer würden zwar verkaufen, in der Wohnung aber zeit ihres Lebens mietfrei wohnen bleiben. Der Investor wettet also darauf, dass das freilich ältere Ehepaar einen möglichst kurzen Lebensabend in der Immobilie verbringt. Nüchtern ausgedrückt: Der Käufer bereichert sich zu Tode. Das klingt natürlich nicht so nett wie eine "Investition in die Zukunft".

Auch ein anderer Beruf geht sehr werbewirksam mit der Sprache um: Musiker beim Erfinden ihrer Bühnennamen. Oft hört man schon am Pseudonym, wo die Musik spielt. Zum Beispiel bei den Schlagersängern, die sich gerne adeln: Je volksnaher der Interpret, umso größer die Tendenz, sich wie ein Königspaar (Marianne & Michael) oder ein Papst (Peter Alexander) beim Vornamen zu nennen. So wird aus einer Tanja Hewer aus Villingen-Schwenningen eine Prinzessin: Michelle. Das erinnert zudem an den Beatles-Song, was freilich mit ihren Pieps-Schlagern wie "Wer Liebe lebt" wenig zu tun hat; zu überprüfen an diesem Montag, 20. April, im Circus Krone.

Hans Last wiederum nannte sich als Dirigent nicht schlicht, wie ihn seine Freunde nennen: der Hansi. Der Bremer machte sich zum James, zu einem Diener der Traumschiff-Melodien, was ihm eine Weltkarriere als Easy-Listening-King ebnete. Den Nachnamen behielt er aus praktischen Gründen. So kann der 86-Jährige samt Orchester schon seit Jahren werbewirksam eine "Last Tour" der anderen folgen lassen, ohne wirklich an den Ruhestand zu denken: Home at Last (21. April, Olympiahalle).

Junge deutsche Hipster nennen nicht nur ihre Kinder gerne wie ihre Großeltern (Martha, Emil, Ottokar), sie sind auch bei der Taufe ihrer Bands nostalgisch: Vierkanttretlager (16.5., Milla), Bilderbuch (13.12., Muffathalle), Tonbandgerät (24.4., Strom), Herrenmagazin, Kettcar - das klingt nach glücklicher Kindheit/Pubertät, genau wie ihr Befindlichkeits-Pop. Den Gegenentwurf liefern die Stinkstiefel des Punk. Social Distortion (22.4. Zenith), da ist der Name Programm: asoziale Störenfriede wollen sie sein, provozieren und schockieren. So wie das Berliner Garagenpunk-Quintett Zentralheizung of Death (20.4., Kafé Kult). Ein besonders erschreckender Name. Wer wünscht sich schon so eine tödliche Bedrohung in den eigenen vier Wänden - ausgenommen besonders zynische Immobilien-Haie?

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: