Vorschlag-Hammer:Keiner daheim

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Attwenger haben in der Milla das Motto der nächsten Woche vorweg genommen: "Kana daham". Was das für einen heimatverbundenen Bayern genau heißt? Auch schnell weg

Von Egbert Tholl

Vor ein paar Tagen war ich in München in einem Konzert. Im Milla, einem Club, den ich bis dato nicht kannte, der aber ausnehmend angenehm ist. Dort spielten die beiden Jungs von Attwenger. Wobei Jungs ein bisschen falsch ist, denn Markus Binder und Hans-Peter Falkner sind inzwischen auch schon ein bisschen in die Jahre gekommen, wie man selbst. Früher, es ist lange her, es war noch im Domicile, da habe ich sie einmal erlebt, das war der Wahnsinn: Nach einer halben Stunde hatte niemand, weder die beiden Musikanten noch irgendjemand im Publikum eine Faser trockenen Stoffes am Leib vor lauter Postpunkvolksmusiklebenswut. Dann kam eine Phase, da machten sie sozusagen akustischen Techno mit Schlagzeug und Knopfharmonika, endlose Klangwürmer, die einen fabelhaften Sog entwickelten.

Nun sind die beiden zwar ein bisschen ruhiger geworden, gemessen an ihren eigenen Maßstäben, doch noch immer umfängt einen ihre Musik mit einem Wohlgefühl, das herrührt vom Sediment der Landschaft, Kraft, Stolz, Unverschämtheit und: Philosophie. Wörtlich versteht man von den beiden Österreichern, selbst als Bayer, nicht allzu viel. Vor allem dann nicht, wenn sie sich zwischen den Liedern miteinander unterhalten, das hat dann schon Qualitäten großartigen Linzer Dadaismus'. Musikalisch haben sie inzwischen, nach den Jahren des Experiments, wieder einen unverstellteren Zugang zu Jahrtausende altem Liedgut, was dann eben auch literarische Erkenntnisse mit sich bringt. Eine dieser Erkenntnisse offenbart sich im ersten Lied ihrer neuen Platte. Die heißt "Spot", und das Lied heißt "kana daham". Also: keiner zu Hause. Hochdeutsch ist das natürlich Blödsinn, erst im Ritual des eigentümlich offenen, hellen "a" in immer wiederkehrender Beschwörung offenbart sich die Gemeinschaft stiftende Kraft: Wenn "kana daham" ist, sind alle irgendwo anders, also vermutlich dort dann zusammen. Oder einfach weg, wie es an Ostern eh alle machen. Da ist "kana daham", ich auch nicht, ich fahr' ins Tessin.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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