Vor dem Buga-Start:Blühen auf Kommando

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Die Pflanzen spielen bei der Bundesgartenschau nur mit, wenn Botaniker die Natur austricksen.

Von Marcus Anhäuser

Eingeweihte Gartenfreunde kennen den Trick. Bromelien, landläufig auch Ananasgewächse genannt, treiben Hobbygärtner zur Blüte, indem sie sie mit ein paar reifen Äpfeln oder Zitrusfrüchten zwei Tage lang in eine Plastikhülle packen. Etwa drei Monate später sprießen dann erste Knospen. Denn die Früchte dünsten Äthylen aus.

(Foto: Foto: Buga)

Der einfache Kohlenwasserstoff regt die Bromelien zum Blühen an, weil seine Moleküle an die Rezeptoren so genannter meristematischer Zellen der Pflanzen ansetzen und ein Spezialisierungsprogramm auslösen. Meristematische Zellen sind Weltmeister der Vielseitigkeit, ähnlich wie Stammzellen, die sich zu allen möglichen Zelltypen entwickeln können.

Suche nach dem Wunderstoff

Gärtner Herrmann Prinsler aus Hennef am Rhein nutzt den Trick in großem Stil. "Zum Muttertag brauchen wir viele blühende Bromelien. Sonst kauft die ja keiner." So begründet Prinsler, warum er das Wasser für die Pflanzen mit Äthylen anreichert. Doch bei anderen Blumen liegt die Sache weitaus schwieriger. Sonst könnten sich die Botaniker viel Arbeit sparen, um etwa ein Blumenmeer wie das auf der Bundesgartenschau zu zaubern, die am morgigen Donnerstag in München beginnt.

Damit die Pflanzen sich pünktlich zum Show-Start im gewünschten Kostüm in Szene setzen, müssen die Experten viele Faktoren beachten. "Der eine Stoff, den man einfach dazu gibt, existiert leider noch nicht", sagt Stefanie Kampmann, verantwortliche Landschaftsarchitektin auf der Landesgartenschau in Leverkusen, die vor kurzem eröffnet wurde.

Seit 140 Jahren sind Pflanzenforscher auf der Suche nach dieser Wundersubstanz. 1865 entdeckte der Breslauer Pflanzenphysiologe Julius Sachs, dass dem Licht ausgesetzte Blätter offenbar Substanzen in geringen Mengen herstellen, welche sie dazu bringen, Blüten zu bilden. Die Stoffe wandern vom Blatt über das Phloem genannte Leitgewebe für den Nährstofftransport zu den Stängelspitzen, fand Sachs heraus.

Wo steckt das Florigen?

Der Russe Michael Chailakhyan fasste 1936 die Ergebnisse zur so genannten Florigen-Theorie zusammen: Die Blütenpracht werde durch einen hormonellen Stimulus, das Florigen, ausgelöst. Seither melden Forscher immer wieder, sie hätten das Florigen entdeckt, oder zumindest verwandte Substanzen, die mit der Blüte in Zusammenhang stehen.

Doch bis heute scheinen die Wissenschaftler nicht viel weitergekommen zu sein als Julius Sachs: Es sei noch immer "eines der großen Mysterien der Botanik", schrieben die Pflanzenforscher Susanne Hoffmann-Benning und Jan Zeevaart von der Michigan State University 2003 in einem Essay der Fachzeitschrift Plant Physiology. Das Florigen könne alles mögliche sein: "ein Peptid, ein Eiweiß, eine Nukleinsäure oder ein anderes, kleines Molekül". Es könne von der Pflanze vollständig produziert werden oder auch nur als Vorstufe.

Zwar ist schon diese Erkenntnis ein Fortschritt, denn bis vor einigen Jahren dachten Botaniker noch, sie müssten nur nach Zuckern im Phloem suchen, weil alle gelösten Stoffe in dieser Form durchs Leitgewebe wandern. Doch inzwischen wissen sie, dass die verschiedensten Substanzen durch den "Superinformation Highway" rasen - was die Suche nach dem ominösen Florigen nicht leichter macht.

Die meisten Experten nehmen heute an, dass mehrere Stoffe die Pflanzenblüte steuern. Der Landschaftsarchitektin Stefanie Kampmann und ihren Kollegen bleibt daher nichts anderes übrig, als mit Hilfe von Erfahrungswerten und Tricks für pünktliche Blüten zu sorgen.

Oft helfe zum Beispiel schon die Wahl der Sorte, sagt sie: "Für Narzissen und Tulpen, die zur Eröffnung Mitte April blühen sollten, habe ich mittelblühende Varianten gewählt." Deren genetisches Programm ist durch Züchtung auf die Tageslänge und Temperatur dieses Zeitraums eingestellt. "Wäre die Eröffnung am 1.Mai gewesen, hätte ich spätblühende Tulpen und Narzissen gewählt", so die Chefin der Leverkusener Schau. Trotzdem bleibe immer eine gewisse Unsicherheit. Die Tulpen und Narzissen wurden schon im Oktober 2004 gepflanzt. "Das Wetter hätte uns leicht einen Strich durch die Rechnung machen können."

In Gewächshäusern vorgezogen

Etwas anders arbeiten die Gärtnereien, die sich auf den zwanzig Blumenschauen in den Münchner Buga-Hallen präsentieren: "Die Pflanzen werden in den Gartenhäusern vorgezogen und müssen an den vier bis acht Tagen der jeweiligen Schauen in voller Blüte stehen", sagt Buga-Sprecher Max-Joseph Kronenbitter. Die Gärtner kämpfen dabei um Prestige und Medaillen.

Das Wachstum ihrer Blumen für Schauen wie "Wunderwelt der Orchideen", "Blütenpracht der Hortensien" oder "Dahlien - sonniges Erbe aus Mexiko" kontrollieren sie vor allem über die Temperatur und das Licht - genau wie die Gärtner, die die Republik mit Schnittblumen, Salat und Gemüse versorgen: "Auch da müssen Pflanzen ja auf den Punkt bereit sein", sagt Markus Radscheit, technischer Leiter der Botanischen Gärten in Bonn.

Für die gärtnernden Zeitmanager gilt: So genannte Kurztagpflanzen lieben lange Nächte. Werden die Tage länger, gibt es hingegen "irgendwann keinen heimischen Feldsalat oder Spinat mehr, weil das Langtagpflanzen sind", sagt Radscheit. Bekommen solche Pflanzen mehr als zwölf Stunden Licht, treiben die Blüten aus. Zum Verzehr sind sie dann nicht mehr geeignet.

Gegen den Einfluss des Lichts wappnen sich die Gärtner mit künstlichen Lichtspielen im Gewächshaus, verlängern oder verkürzen mit Lampen oder schwarzen Planen die Tage. Dabei muss das Licht gar nicht die Qualität der Sonne haben. Es reicht schon ein spezielles "Störlicht" mit einem reduzierten Spektrum an Wellenlängen.

Und auch auf künstliche Temperaturen fallen die Pflanzen gern herein: Wer das Gedeihen seiner Wettbewerbsorchideen hinauszögern will, legt sie ins Kältehaus. Pflanzen hingegen, die zu langsam für den Show-Zeitplan reifen, werden durch Wärme angetrieben. Der Trick ist derselbe: Entweder wird der Stoffwechsel verlangsamt oder beschleunigt.

Stefanie Kampmann hat in Leverkusen allerdings für die Außenbeete auf diese Verfahren verzichtet, denn sie bergen auch Risiken: "Pflanzen, die umgepflanzt werden, erleiden immer einen Pflanzschock. Sie stellen das Wachs- und Blühprogramm ein und aktivieren das Wurzelprogramm."

Der intelligente Dünger

Das Zeitproblem an der Wurzel packen die Gärtner individuell an: "Jeder hat seine eigene Boden-Mischung", sagt Kampmann - ebenso wie eigene Dünger, die man inzwischen als wahre Hightech-Dünger bezeichnen muss: Kleine Kapseln aus Sojaharz sind es, die alles enthalten, was die Pflanze braucht.

Das Verfahren aus den Sechzigerjahren ist mittlerweile eine Wissenschaft für sich: Die Harzkügelchen nämlich werden in verschiedenen Schichten bei unterschiedlichen Temperaturen und Drücken aufgebaut. "Dadurch entstehen feine Risse und Löcher in den Schichten, die dann wie einzelne Netze übereinander liegen", erklärt Düngerexperte Peter Mosler von der Firma Scotts.

Durch die Poren gelangt der Dünger ins Erdreich: Stickstoff, Magnesium, Phosphor, Kalium und Spurenelemente wie Eisen und Mangan. Die "Maschenweite" des Harznetzes ändert sich mit der Temperatur. Wenn es wärmer wird und die Pflanze mehr Nährstoffe verlangt, weil der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft, weiten sich die Poren. Kühlt es ab, verkleinern sie sich. "Dadurch erreichen wir bei Regen eine viel geringere Auswaschung als bei löslichem Volldünger", sagt Mosler. Ehrgeizigen Gärtnern, denen das alles zu kompliziert ist, bleibt anstelle von Wissenschaft und Forschung nur eine Alternative: Bromelien. Und natürlich ein wenig Äthylen.

© SZ vom 27.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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