Vom Schmuddelkind zur Szenebar:Imagepolitur für eine Stadtbekannte

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Hier lümmelte sich schon Freddie Mercury auf dem Samtsofa: Das "Pimpernel'' soll von seinem schlechten Ruf befreit und zu einer neuen Szenebar werden.

Jonathan Fischer

Was Sven Künast am meisten nervt: Dass die meisten Münchner sein Nachtlokal nur aus Polizeimeldungen kennen. Etwa, weil der Schauspieler Walter Sedlmayr dort seinen späteren Mördern begegnet war. Oder Stricherjungs versuchten, Gäste zu bestehlen.

Auch Techno-Legende Sven Väth war schon im Pimpernel zu Gast und schmiss mit einer Hundertschaft von Fans eine unangekündigte After-Hour-Party. (Foto: Foto: dpa)

Kaum ein anderer Laden in München, der in so vielen Facetten von Glamour bis Gaunertum schillert. Tatsächlich können die dunkle Holzfassade, der Name sowie die Nachbarschaft zu einer Spielhölle und einem Fetisch-Laden Neugierige abschrecken, die Klingel an der Lokaltür zu drücken. Schade eigentlich.

Das originellste Nachtlokal Münchens

Für Künast, der das Image vom Strichertreff gern los wäre. Für die Belegschaft seines Ladens, der an jedem anderen Ort des Glockenbachviertels sicher schon Kultstatus hätte. Vor allem aber für all die Szenegänger, die das sicherlich originellste Nachtlokal Münchens bisher verpasst haben.

Schließlich hat das Pimpernel mehr zu bieten als Münchner Kriminalgeschichte. Bevor sie die nächste seelenlose Designerlampen-Bar einrichten, sollten Innenarchitekten hier einen Pflichtbesuch absolvieren:

Sobald die schwere Holztür an der Müllerstraße 56 sich öffnet, nimmt einen der hintergrundbeleuchtete Salon wie der Bauch eines Raumschiffs auf. Rundum strahlen Leuchtkästen Softpornoszenen und Pariser Straßenpanoramen von den Wänden, und auch der Rest der Einrichtung wirkt wie ein Relikt aus einem Discostreifen: die ovale Edelholz-Bar in der Mitte mit ihren Spiegelsäulen, die Separées aus rotem Samt und ein Balkon, auf dem schon Freddie Mercury seine Münchner Nächte ausklingen ließ.

Neben all den Halbweltgrößen, Selbstdarstellern, Transvestiten, Prostituierten, Lebemännern und Schaulustigen natürlich, denen das Pimpernel seit jeher als zweite Wohnstube diente.

Mittdreißiger Künast, der das Lokal seit zwei Jahren führt, sieht die Geschichte des Pimpernel gleichermaßen als Segen und Fluch: ,,Ich interessiere mich nicht für das Privatleben meiner Gäste - solange keine unsauberen Geschichten im Laden laufen.''

Schon Anfang der dreißiger Jahre hatte das Etablissement als ,,Red Cat'' eine Barlizenz. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen eine Bäckerei und ein Möbelgeschäft in seine Räume, bevor Künasts verstorbener Freund Walter Schmollinger den vormals ,,Lucian'' genannten Prostituiertentreff 1971 zum Treffpunkt all derjenigen machte, die luxuriöses Late-Night-Ambiente und schwulen Lifestyle suchten.

Wie man nackt auf der Bar tanzt

Und weil Schmollinger als Privatsekretär des Krupp-Erben Arndt von Bohlen und Halbach über beste Kontakte zur High Society verfügte, kamen auch die Unternehmer und Schauspielerinnen, Medienmacher und Prinzen. ,,Zu dieser Mischung möchte ich wieder zurück'', sagt Künast, der für eine ganz andere Szene auch den renommierten Technoclub Rote Sonne betreibt.

Jahrzehntelang hatte das Pimpernel davon gelebt, als einer der wenigen Nachtclubs Münchens noch morgens um sechs Uhr Champagner auszuschenken. Doch dann kam alles auf einmal: Die Stadt lockerte die Sperrstunde, und der Zusammenbruch der New Economy ließ viele der spendierfreudigsten Gäste für immer verschwinden.

,,Das Pimpernel hat damals kaum von der Laufkundschaft gelebt'', erzählt Künast, ,,sondern von den Typen, die pro Abend drei- bis vierstellige Summen im Lokal ließen.''

Was sie alle zusammenbrachte, war die Gewissheit, hier etwas zu erleben. Etwa, wie ein Gast nackt auf der Bar tanzt. Prächtig kostümierte Transvestiten sich mit ihren Zuhältern prügeln. Sänger Ivan Rebroff oder Peter Orloff ein paar Kosakenlieder zum Besten geben. Oder Techno-Legende Sven Väth zu später Stunde mit einer Hundertschaft Fans einrückt, die Plattensammlung des Haus-DJs von der Kanzel wirft und eine unangekündigte After-Hour-Party hinlegt.

Als ein Großteil dieses Publikums wegbrach, sagt Künast, sei niemand nachgekommen - womöglich, räumt er ein, auch wegen des Überhandnehmens osteuropäischer Stricherjungs. Die Polizei schickte zeitweise nach einem Verbrechen im Rotlichtmilieu ihre Zivilbeamten routinemäßig ins Pimpernel. Künast zeigt auf eine Narbe an seiner Stirn - Andenken an einen gewalttätigen Gast.

Doch das sei Vergangenheit, versichert der Betreiber. Und schwärmt von der Zukunft des Pimpernel: umbauen will er es. Eine Fensterscheibe zur Straße hin müsse her, sagt Künast. ,,Damit die Leute sehen, was drinnen los ist.''

"Andere würden teuer für solche Shows bezahlen"

Ansonsten aber weiß er das großartige Ambiente seines Ladens zu schätzen: So lässt er die Samtbezüge vom Originalfabrikanten erneuern, die bodenbeleuchtete Tanzfläche reparieren und Flippergeräte aus den Siebzigern aufstellen.

Ob dann wieder Schweizer Banker mit dem Privatjet eingeflogen kommen und Filmstars auf den Tischen tanzen? Nein, sagt Künast, er könne die Zeit nicht zurückdrehen. Aber dass im Pimpernel bald wieder die besten Partys der Stadt laufen, da ist er sich sicher. Mit regelmäßigen Soulnächten oder den Tanzabenden des Cafés Loretta zielt er auf reifere Szenegänger.

Und wenn dann noch ein Teil des alten Stammpublikums dazustößt, kann es wieder zu den lokaltypischen Dramoletten kommen. Etwa als der Münchner Verleger und DJ Hias Schaschko hier unlängst die Releaseparty seiner Kompilation ,,Heavy Breathing'' feierte: Da schneite um sechs Uhr morgens ein Paar in Latexunterwäsche herein, um nach wildem Tanz vom Tresen zu stürzen und vom Notarzt abgeholt zu werden.

,,Andere Partyveranstalter'', kommentiert Künast trocken, ,,würden teuer für solche Shows bezahlen.'' Er dagegen liebt die Abende ohne Blaulicht vor der Tür. Der letzte Polizeieinsatz im Pimpernel liegt zum Glück schon lange zurück: Am frühen Totensonntag sollte er die Spielautomaten ausschalten - nicht wegen illegalen Glückspiels etwa, sondern, ,,um nicht die religiösen Gefühle unserer Gäste zu verletzen''.

© SZ vom 20.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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