Visionen:Im Diskurs mit Aliens

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Das Münchner Science-Fiction-Festival versteht sich auch als Plattform für gesellschaftliche Debatten und ist deshalb nicht nur für Leute aus der Szene interessant

Von Lena Abushi

Kaum jemand weiß, dass sich Wissenschaftler durch die Science-Fiction inspirieren lassen und umgekehrt. Das "Science-Fiction-Festival" zeigt, wie das geht: Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen diskutieren im Slam "Science vs. Fiction" mit fiktiven Charakteren.

"Schon als Kind habe ich mich für den Weltraum interessiert, Bücher wie Star Wars begeisterten mich später auch für die wissenschaftliche Seite", sagt Sergei Bobrovskyi, Mitarbeiter des DLR. "Zwar werde ich beim Science-Fiction-Festival als Verkäufer von Zeitreisen auftreten, das aktuelle Wissen auf diesem Gebiet aber rein wissenschaftlich erklären." Das könnte auch Leute, die nicht aus der Science-Fiction-Szene kommen, interessieren.

"In England wird Science-Fiction wie jede andere Gattung behandelt", sagt Ronit Wolf, die Gründerin des Festivals: "In Deutschland gibt es viele Vorurteile, dabei bietet Science-Fiction mehr, als die meisten kennen." So ist das Festival auch eine Plattform für aktuelle, gesellschaftliche Diskurse. In einem Bericht des Künstlerkollektivs "Pascani Ya" beantragen zwei Außerirdische die deutsche Staatsbürgerschaft, und in ihrer Performance "Alice will zurück ins Wunderland" geht es um ein Mädchen, das unter psychischen Problemen leidet und in ein dunkles Loch flüchtet - das in unsere Welt führt.

"Im nächsten Jahr wollen wir die politische Dimension noch mehr fokussieren, dann soll es zum Beispiel auch um Religionen gehen", sagt Ronit Wolf, die in Würzburg Kommunikationsdesign studiert hat. Bevor sie vor sechs Jahren nach München kam, arbeitete sie in London als Designerin und Illustratorin. Auf Dauer wollte sie aber ihr "eigenes Ding" machen, wie sie sagt. "An Science-Fiction mag ich, dass es darum geht, sich Möglichkeiten von Ideen vorzustellen". Das hat auch Anna Mocikat getan, die am Sonntag aus ihrem Debütroman "Muc" lesen wird. In dem Buch beschreibt sie ihre Heimatstadt München im Jahr 2120 - eine Katastrophe hat die Menschheit fast komplett ausgerottet und eine gnadenlose Diktatur ist an der Macht. "Die meisten Dystopien spielen an entfernten Orten, etwa in New York. Also habe ich mir so eine Szenerie mal zu Hause vorgestellt", sagt Mocikat. Die Idee zu der Geschichte kam ihr auf einer Reise durch den Regenwald Thailands. "Die Natur und die Tiere haben mich als Großstadtmensch gleichzeitig fasziniert und verstört", so Mocikat. Das brachte sie dazu, sich vorzustellen, wie eine Welt ohne Menschen aussehen würde, wenn Natur und Tiere wieder die Oberhand gewännen.

Auch musikalisch ist bei dem Festival Exklusives angesagt. So führt die Elektro-Popband 9 Volt am Samstag eine Science-Fiction-Oper auf, und die szenische Lesung "Asimov Live!" wird von einer Weltraum-Orgel begleitet. Dennoch besteht kein Zweifel, dass vor allem Filme das bleiben, was die meisten Leute mit Science-Fiktion verbinden. Da Star Wars und Co. aber keine Neuheiten sind, werden bei dem Festival unbekanntere Produktionen gezeigt, etwa der Low-Budget-Film "Primer" (Regie: Shane Carruth), in dem es - natürlich - auf eine Zeitreise geht. Auch für Kinder gibt es was: Zum Beispiel spielt Verena Marisa das Instrument Theremin, das nur mit elektromagnetischen Wellen funktioniert. Ronit Wolf erwartet auf dem Festival also nicht nur Science-Fiction-Kenner: "Mir ist wichtig, dass wir nicht in dieses Nerd-Klischee gesteckt werden."

Science-Fiction-Festival, Freitag bis Sonntag, 24. bis 26. April, Einstein Kultur, Einsteinstr. 42, www.muc-sf-festival.com

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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