Verliebt in München:Spaziergang auf Wolke Sieben

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Endlich bist du an der Reihe. Endlich wahnsinnig verliebt. Du hast den Richtigen gefunden. Nein, die Richtige. Gegen das Rasen in deinem Herzen hilft nur: Bewegung. Aber wohin mit dir und deinem neuen Glück? Hier sind die Tipps.

Von Barbara Streidl

Guten Morgen, Glücksgefühl! Schnell wählst du die Nummer des Menschen, der jetzt das "Du" in der Gleichung "Ich + Du = Wir" ist; verabrede dich mit ihm für den Vormittag am Tierpark Hellabrunn (Tierparkstraße).

Merke: Wer frisch verliebt ist, braucht nur wenig Nahrung. Deshalb kannst du das Frühstück auf einen Kaffee und einen Apfel reduzieren und stattdessen viel Zeit an den Stationen Dusche und Kleiderschrank verbringen. Dann eilst du nach Thalkirchen. Wichtig: Eine Handvoll Münzen und das alte Pustefix aus dem Keller einstecken, mit Wasser und Spülmittel gefüllt.

Im Tierpark solltet ihr unbedingt an Nashorn und Flamingos vorbei zum alten Affenhaus gehen; dort könnt ihr am Liebesglück von zwei Gibbons teilhaben: Bei Peter, Jahrgang 1988, und Pam, Jahrgang 1997, hat es auf den ersten Blick gefunkt. Zurzeit sitzt Pam oft auf einem Bambusast und reckt ihren hochschwangeren Bauch in die Sonne. Gibbons-Liebe hält ein Leben lang und ist monogam, ist das nicht ein gutes Vorbild? Nachdem du den romantischen Primaten mit deinen Münzen ein paar Erdnüsse spendiert hast, solltest du am Affenhaus-Kiosk noch ein Eis für euch beide kaufen.

Keinen Nerv für neidische Blicke

Hand in Hand spaziert ihr anschließend durch die Isarauen; über den Flauchersteg bis zum Flaucherbiergarten. Dort gibt es nachmittags genügend ungestörte Plätze, an denen ihr euch lange in die Augen sehen könnt. Das tut frisch Verliebten gut; schließlich entdeckt ihr gerade eine neue Welt und könnt neidische Blicke nicht gebrauchen. Gemeinsam trinkt ihr aus einem Masskrug - je nach Uhrzeit sollte es vielleicht Limonade sein.

Die Isar entlang geht ihr dann am Deutschen Museum vorbei bis zum Friedensengel (Prinzregentenstraße). Auf diesem Weg gibt es kleine Brücken und mehrere Punkte, an denen man die herrliche Aussicht - die Augen des anderen natürlich - genießen kann.

Ihr erreicht das Denkmal zu einer Uhrzeit, zu der die Sonne schon schräg steht. Der goldene Engel schimmert hier seit 106 Jahren und erinnert an den Frieden; ein guter Ort für eine kleine Pause, mit Blick auf die Prinzregentenstraße. Jetzt ist die Zeit gekommen für das Pustefix - und natürlich wird euer Glück nicht so schnell zerplatzen wie die selbst gemachten Seifenblasen.

Wenn sich die Abendstunden ankündigen, solltet ihr weiterziehen. Erinnere dich an den Film "Nichts Bereuen", in dem Daniel Brühl und Jessica Schwarz in einem Parkhaus verliebte Dinge tun. Nach dem Film waren die beiden verlobt, also scheinen Parkhäuser eine gute Wirkung auf Paare zu haben.

Auf dem Weg in die Innenstadt könnt ihr bei Sushi Sano (Josephspitalstraße) ein kleines Abendessen mitnehmen. Wenn ihr dann auf dem Dach des Hirmer-Parkhauses (Färbergraben) steht und euch gegenseitig mit Maki-Sushi-Röllchen füttert, ist das schon fast wie im Film.

Viel später geht ihr durch die nächtliche Fußgängerzone. Gut, dass hier jetzt fast niemand mehr ist: Manche Menschen ertragen es nämlich nicht, dass ihr euch im Zwei-Sekunden-Takt küsst und dazwischen ständig seufzt. Doch den Gitarristen, der vor den Arkaden gerade sein Instrument einpacken möchte, könnt ihr mit ein paar Münzen überzeugen, für euch die lange Version von "Love Me Tender" zu spielen. Eine gute Melodie für den Heimweg, den ihr gemeinsam antreten solltet.

Am Morgen des zweiten Tages deines neuen Lebens als Teil eines Pärchens hörst du neben dir noch nicht ganz vertraute Atemzüge. Zähle sie mit, bis du wieder einschläfst oder noch besser, spring auf und tanze vor Freude - du bist nicht mehr allein! Und ganz ehrlich: Wann warst du zuletzt so früh so wach?

Ihr solltet die Wohnung noch vor dem Mittag verlassen; da heute die ganze Welt erfahren darf, dass ihr ein neues Wir seid. Wichtig: Taschenmesser und ein leeres Glasfläschchen mit Verschluss einstecken.

Als Erstes macht ihr nun ein Passbild - ein Digitalfoto auf einem Handydisplay ist einfach nicht dasselbe wie ein schmaler Streifen übermotiviert belichteter Papierbilder. Der nächste Automat ist am Hauptbahnhof. Ihr setzt euch hinter den Vorhang auf einen Hocker und lasst euch fotografieren. Merke: Küssen ist hier erlaubt.

Doch ein wenig hungrig geworden? Macht euch auf den Weg nach Nordschwabing. Dabei kommt ihr am Standesamt (Mandlstraße) vorbei und könnt euch probehalber in den Eingang in Ehepaarpose stellen. Reiskörner auf dem Boden und einige verstreute Blüten lassen den Hauch des Jawortes ahnen. Bevor es ernst wird, und ein frisch vermähltes Paar samt Hochzeitsgesellschaft euch den Platz streitig macht (hier wird im 15-Minuten-Takt geheiratet), solltet ihr weitergehen bis hinter die Alabamahalle.

Ausflug in die Kleingartenkolonie

Denn dort, am Joseph-Dollinger-Bogen, ist der Eingang zu einer Kleingartenkolonie, und im dazu gehörigen Wirtshaus "Zum Metzger Rudi" serviert man kalte Fleischpflanzerl mit Senf und Kartoffelsalat. Dort trefft ihr garantiert keine bekannten Gesichter. Die ungewohnte Umgebung schweißt euch zusammen: Menschen in Turnhosen und Badeschlappen, die in ihrer Freizeit Tujenhecken mit der Nadelschere trimmen, haben manchmal eine feindselige Wirkung auf Außenstehende, doch gemeinsam haltet ihr ihren Blicken stand.

Nach dem Mahl könnt ihr die Gartenwege entlang schlendern und euch an der Spießigkeit der Laubenbesitzer erfreuen. So ein Wir - im Kleingartenverein mit Gartenzwergsammlung unter der gusseisernen Dachrinne - müsst ihr ja nicht werden.

Sonnenuntergang nicht verpassen! Am alten Wasserwerk im Englischen Garten (Gyßlingstraße) gibt es dazu eine Möglichkeit; außerdem stehen hier genügend Bäume, die auf ihrem Stamm ein Herz mit euren Initialen vertragen können (um keine Naturfreunde zu entsetzen, solltest du die kleinste Klinge deines Taschenmessers verwenden). Vielleicht kann man hier das Verschwinden der Sonne nicht bis zuletzt durch die Baumwipfel verfolgen; dafür nimmt der Eisbach aber gerne die kleine Flaschenpost auf, die euer Passfoto bestimmt bis zum Meer trägt.

© SZ vom 21.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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