Urteil: Lebenslang:Ein fast perfekter Auftragsmord

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Einer der längsten und aufwändigsten Indizienprozesse der Münchner Kriminalgeschichte ist zu Ende. Das Schwurgericht hat ein chinesisches Bruderpaar wegen eines bizarren Mordkomplotts zu lebenslanger Haft verurteilt.

Alexander Krug

Am 4. Juli 2004 war die Chinesin Ye W. tot in ihrer Wohnung in der Hesseloherstraße in Schwabing aufgefunden worden. Die 41-jährige lag mit dem Gesicht nach unten in einer randvollen Badewanne. Die Polizei ging zunächst von einem Selbstmord aus, zumal ein Abschiedsbrief der wegen einer entstellenden Hautkrankheit isoliert und zurückgezogen lebenden Frau gefunden wurde.

Das Urteil: lebenslange Haft. (Foto: Foto: dpa)

Erst eine Obduktion brachte zu Tage, dass Ye W. zunächst mit massiver Gewalt überwältigt, dann bis zur Bewusstlosigkeit gedrosselt und schließlich in der Badewanne abgelegt worden war.

Nach Überzeugung des Schwurgerichts wurde Ye W. Opfer eines ausgeklügelten Mordplanes, der von ihrem Ehemann Zheng W., 52, ausgeheckt worden war. Zheng W. und seine mitangeklagten Brüder Jun W., 49, und Yong W., 44, lebten unter falschem Namen in München. Dass sie Brüder waren, wusste niemand. Der als Asylbewerber abgelehnte Zheng W. hatte Ye W. offenbar nur geheiratet, weil diese eine Aufenthalterlaubnis hatte.

Streit ums Geld

Das Paar betrieb ein Reisebüro, das sich auf Reisen chinesischer Delegationen nach Europa spezialisiert hatte. An dem einträglichen Geschäft waren auch die beiden Brüder beteiligt. Die Einnahmen, rund 200.000 US-Dollar, versteckte Ye W. in ihrer kleinen Wohnung, was zu Auseinandersetzungen mit dem Ehemann führte. ,,Sie achtete sehr auf Sparsamkeit und hielt ihren Mann sehr knapp'', sagte Richter Manfred Götzl. Der in Spielbanken verkehrende Wang W. entwendete wiederholt kleinere Summen, was zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten führte. Ye W. ließ sich schließlich schriftlich zusichern, dass sie im Falle einer Scheidung 200.000 Euro erhalten würde.

Im Wissen um diese Vereinbarung entschloss sich Wang W. letztlich, seine Ehefrau umbringen zu lassen. Um den Verdacht von sich abzulenken, überredete er seinen Bruder Yun W., die Tat auszuführen. ,,Die Brüder waren eine verschworene Gemeinschaft'', so Götzl, daher sei die Wahl als Auftragskiller auf ihn gefallen. Während Zheng W. aus Alibigründen nach China reiste, tat Yun W. in der Wohnung alles, um die Tat wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.

Offensichtliche Inszenierung

Diese ,,Inszenierung'' einschließlich eines Abschiedsbriefes sei allerdings ,,zu offensichtlich'' gewesen. Entscheidend für die Beweisführung waren jedoch genetische Spuren, die er trotz sorgfältiger Säuberung am Tatort zurückließ. An einem weiß-rosa karierten Handtuch und einem Stofftuch mit Blumenmuster fand sich DNS-Material von Yun W.

Er wurde daher wegen Mordes verurteilt, sein Bruder Zheng W. wegen Anstiftung. Letzterer wurde auch durch abgehörte Telefonate überführt, bei denen er versuchte, den Verdacht auf andere zu lenken.

Der Prozess war fast genau auf den Tag vor einem Jahr eröffnet worden. Die Angeklagten hatten bis zuletzt geschwiegen, einzig Zheng W. hatte am Schlusstag in einem längeren Monolog alle Vorwürfe bestritten. Nachdem seine beiden Brüder abgeführt wurden, blieb der freigesprochene Yong W. noch minutenlang tränenüberströmt im Sitzungssaal sitzen.

Das Gericht entschied in seinem Fall, ein Nachweis einer Tatbeteiligung könne nicht geführt werden. Yong W. saß mehr als zwei Jahre in U-Haft. Eine Entschädigung bekommt er trotzdem nicht. Aus Sicht des Gerichts hat er durch ,,vorsätzlich falsche Angaben'' seine Inhaftierung selbst zu verantworten.

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