Urteil im Mobilfunk-Recht:Abwehrrecht gegen Masten

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Weil für das Oberlandesgericht München eine Minderung des Miet- und Verkaufswerts vorliegt, hat die Klage einer Bewohnerin Erfolg: keine Mobilfunkantenne am Dach.

Ekkehard Müller-Jentsch

Gleiches Recht für alle? Nein, in Sachen Mobilfunk gilt das schon lange nicht mehr, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) deutlich macht. Miteigentümer einer betroffenen Wohnanlage haben deutlich mehr Abwehrrechte gegen einen Antennenmasten als normale Nachbarn.

Telefonieren vor Mobilfunkmasten bedeutet höhere Strahlenbelastung. (Foto: Foto: dpa)

Es geht um eine Wohnanlage, die aus zwei flachen Gebäuden und einem sogenannten Hochhaus besteht. Allein die Eigentümer des Hochhauses hatten beschlossen, ihr Dach an eine Mobilfunkfirma zu vermieten, die dort ihren Antennen aufstellte. Das passte der Besitzerin einer Wohnung in einem der flacheren Gebäude nicht. Sie zog vor Gericht.

Und genau an dieser Stelle geht die Rechtsprechung auseinander. Im konkreten Fall war die klagende Frau Mitglied dieser Eigentümergemeinschaft, weil die beiden niedrigen und das hohe Gebäude eine gemeinsame Wohnanlage bilden. Deshalb wurde dieser Fall nach Wohnungseigentumsrecht behandelt.

Der 34. OLG-Senat stellte fest, dass der Beschluss der Hochhaus-Eigentümerversammlung "nichtig" sei: Denn in dieser mehrere Gebäude umfassenden Wohnanlage seien auch die Eigentümer der flacheren Häuser durch die Mobilfunkantenne betroffen, so dass diese Maßnahme daher grundsätzlich auch ihrer Zustimmung bedürfe.

Die wörtliche Begründung: "Bei einer Mobilfunkanlage sind die Bewohner der Nachbarhäuser einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt, die möglicherweise, auch wenn sie die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreitet, gesundheitsgefährdend ist."

Jedenfalls wegen dieser allgemein verbreiteten Befürchtung habe die Errichtung einer Mobilfunkanlage auch Auswirkungen auf den Miet- oder Verkaufswert der betroffenen Eigentumswohnungen, ohne dass es auf die Berechtigung dieser Befürchtung ankomme, meinen die Richter.

Hätte das Haus der klagenden Wohnungsbesitzerin nun nicht zu dieser Wohnanlage gehört, wenn sie also sozusagen eine x-beliebige Nachbarin oder gar "nur" Mieterin gewesen wäre, hätte das Urteil anders ausgesehen. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgestellt, dass Nachbarn keinerlei Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch haben, solange die vorgeschriebenen Grenzwerte durch die Antenne eingehalten werden.

Der Punkt mit den Grenzwerten interessierte dagegen die OLG-Richter nicht. Ihrer Meinung nach sind die Mitglieder einer Eigentumswohnanlage sich gegenseitig enger verpflichtet als bloße Nachbarn: Deshalb müssten sie auf "mögliche weitere Nachteile, die mit einer solchen Anlage verbunden sein können, wie etwa die Strahlenbelastung und die damit verbundenen Befürchtungen und Wertminderungen" Rücksicht nehmen (Aktenzeichen: 34 Wx 109/06).

Auch Rudolf Stürzer vom Münchner Haus- und Grundbesitzerverband beobachtet, dass die Funk-Rechtspechung immer weiter auseinander driftet. Er geht davon aus, dass die Frage der Wertminderung künftig eine immer größere Rolle spielen werde. Manche Eigentümergemeinschaft schieße allerdings am Ziel vorbei. So lehnte eine Hausgemeinschaft in Neuhausen den Bau einer O2-Anlage auf ihrem Dach aus gesundheitlichen Bedenken ab.

Daraufhin mietete der Mobilfunker das Dach des Nachbarhauses. Fazit: Die einen haben 15 000 Euro Mieteinnahmen - die anderen nun doch die nahe Antenne und dazu das wirtschaftliche Problem, dass Mieter wie Käufer speziell den Anblick von Funkmasten scheuen.

Allerdings sind bisher keine medizinischen Folgen von Mobilfunk-Strahlen bewiesen, britische Forscher der Universität Essex stellten jedoch einen Placebo-Effekt fest: "Elektrosmog-sensible" Testpersonen klagten schon beim Anblick einer Antennen-Attrappe über Übelkeit, Kopfschmerzen und Grippe-Symptome.

© SZ vom 11.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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