Urteil im Familiendrama:"Wut am Sohn ausgelassen"

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Veronika K. ist wegen versuchten Mordes an ihrem kleinen Sohn zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte Kevin mit einem Küchenmesser in die Brust gestochen.

Alexander Krug

Wegen versuchten Mordes an ihrem Sohn Kevin hat das Schwurgericht am Donnerstag Veronika K. zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Außerdem ordnete die Kammer die Unterbringung der alkoholkranken Angeklagten in einer Entzugsklinik an. "Es war ein absolut krasses Missverhältnis von Anlass und Tat", meinte Richter Manfred Götzl.

Mit dem Urteil blieb die Kammer vier Jahre unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Veronika K. muss zuerst einmal 3 Jahre und acht Monate ihrer Haftstrafe verbüßen. Danach kommt sie in die Klinik. Sollte eine Therapie hier scheitern, droht ihr erneut die Haft.

Nach viertägiger Verhandlung und vielen Tränen nahm die 47-jährige Angeklagte das Urteil äußerlich unbewegt auf. Richter Götzl ging dabei hart mit ihr ins Gericht. Eigentlich gebe es für diese Tat keine nachvollziehbare Erklärung, allenfalls den Versuch einer Annäherung. An jenem 11. Oktober vorigen Jahres habe sich bei der Angeklagten im Verlaufe des Tages "eine Menge Wut" angesammelt, die nach Entladung suchte.

3,4 Promille Alkohol im Blut

Um ihre Haushaltskasse aufzubessern, hatte Veronika K. zunächst vergeblich versucht, einige alte Möbelstücke zu verkaufen. Das geplatzte Geschäft verärgerte sie, und der Ärger steigerte sich noch, als der älteste Sohn nach Hause kam, ein Gespräch mit seiner bereits schwer betrunkenen Mutter verweigerte und sich in sein Zimmer einschloss.

Veronika K. schrie und drohte, sich und den kleinen Kevin umzubringen. Der älteste Sohn habe dies nicht ernstgenommen, so der Richter, da die Mutter solche Drohungen schon öfter ausgestoßen habe. Diesmal aber machte Veronika K. ernst: Sie legte sich neben den zweieinhalb Jahre alten Kevin ins Bett, der mit einem Wecker spielte und etwas quengelig war. "Sie haben das zum Anlass genommen, ihre gesamte Wut an ihrem Sohn auszulassen", sagte Götzl.

Veronika K. stach dem Kind ein Küchenmesser mit zehn Zentimeter Klingenlänge in die Herzgegend. Durch den Aufschrei des Kleinen alarmiert, griff der älteste Sohn beherzt ein, entwand der Mutter das Messer und rannte mit dem schwer verletzten Bruder zu Nachbarn. Kevin überlebte dank einer Notoperation, er wird keine bleibenden körperlichen Schäden davontragen. "Sie können von Glück reden, dass er noch lebt", so Götzl.

Veronika K. hatte zur Tatzeit maximal 3,4 Promille Alkohol im Blut. Ohne Alkohol wäre es wohl nicht zu der Tat gekommen, das Gericht attestierte der Angeklagten eine erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit, allerdings mit Bedenken. Denn "hohe Promillewerte" seien für die trinkgewohnte Angeklagte seit Jahren nichts Besonderes gewesen. Strafmildernd wirkte sich daneben aus, dass die Angeklagte "nicht mit voller Wucht" zugestoßen hatte: "Ihr lag nicht daran, dass ihr Sohn zu Tode kommt. Sie nahm es aber zumindest billigend in Kauf."

Der kleine Kevin ist seit der Tat in einer Pflegefamilie untergebracht. Wann ihn seine Mutter einmal wiedersehen wird, steht in den Sternen. Veronika K. nahm die Entscheidung der Kammer sofort an, auch die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

© SZ vom 07.09.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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