Uli Lommel:Überleben als Komödiant

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Zwanzig Jahre hat er in den USA kleine, oft eigenwillige Genrefilme gemacht. Auf dem Filmfest zeigt Uli Lommel seinen neuen Film "Boots".

Interview: Frank Arnold

(SZ vom 5.7.2001) - Zwanzig Jahre hat er in den USA kleine, oft eigenwillige Genrefilme gemacht, nun kehrt Ulli Lommel (Foto: Katalog), einer der letzten deutschen Filmautoren, nach Hause zurück. Auf dem Filmfest zeigt er morgen seinen neuen Film "Boots".

Uli Lommel (Foto: Katalog)

Die Geschichte spielt zwar größtenteils in Los Angeles - ein Dirigent wird durch seinen Sohn mit Rassismus und Neonazismus konfrontiert -, aber der Film ist eine rein deutsche Produktion und wurde finanziert von Hansjuergen Pohland ("Katz und Maus"), mit dem Lommel seit Mitte der Siebziger zusammenarbeitet.

SZ Mit "Boots" begeben Sie sich offensichtlich auf ganz neues Terrain ...

Lommel: "Boots" entstand aus Gesprächen zwischen Hansjuergen Pohland und mir, zwischen Berlin und Amerika. In Amerika gibt es im Internet über 500 Neonazi-Gruppen. Wir hatten das Gefühl, dass von der jungen Generation nicht viel kommen würde, was diese Entwicklung angeht. Wenn also unsere Generation jetzt keinen Film darüber macht, wer dann? Es geht doch auch darum: Wer sind wir eigentlich? Es geht um die Farbe unseres Gesichtes, unserer Gefühle.

SZ: Haben Sie auch eigene Erfahrungen mit dieser Szene gemacht

Lommel: Eine Woche, nachdem wir in Deutschland gedreht hatten, kamen mir auf dem Ostbahnhof in Berlin drei Typen entgegen, die mich sofort im Visier hatten, mich gegen den abfahrenden Zug drängten. Das war wie ein böser Traum.

SZ: In "Boots" spielen auch Katrin Schaacke und Rudolf Waldemar Brem mit, zwei Schauspieler, mit denen Sie bei Fassbinder vor der Kamera standen.

Lommel: Damit weht ein schwacher Fassbinder-Geist durch den Film.

SZ: An Fassbinder erinnert natürlich auch der Schluss, der Tanz der beiden Männer. Eine Utopie?

Lommel: Ein Traum von einer Wirklichkeit, in der wir uns alle vertragen, in der wir uns zu den Gesichtern bekennen, die wir tatsächlich haben.

SZ: Haben Sie den Film Ihrem Vater gewidmet?

Lommel: Ja, der wurde 1891 geboren und starb 1962 - er hat dieses unglaubliche Jahrhundert mit all seinem Wahnsinn mitgemacht: den Ersten und Zweiten Weltkrieg, die Erfindung von Telefon, Auto, Radio ... Ich denke, er hat diese ganze Zeit eigentlich nur überstanden, weil er ein Komödiant war.

SZ: Mit dem Produzenten Al Ruddy ("Der Pate") haben Sie sich eine Hollywoodlegende geholt.

Lommel: Er interessierte sich für das Thema und hilft uns nun, den Film in Amerika zu verleihen.

SZ: Die Rap-Songs im Film behandeln ebenfalls das Thema Neofaschismus.

Lommel: Die wurden eigens für den Film geschrieben. In Los Angeles gibt es eine Hochschule für Musik, und von den Rappern, die dort studieren, konnte man einen ganz eigenen Ausgangspunkt erwarten - eben nicht nur diese Aggression gegenüber Polizei oder Frauen.

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