Trauer um Moshammer:Der nächste, bitte!

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Unter den wachsamen Augen eines privaten Sicherheitsdienstes nehmen die Menschen in der Münchner Lukaskirche Abschied von Rudolph Moshammer. Die wenigsten der Besucher kannten den Mann mit dem Hund persönlich, und doch hat jeder eine Beziehung zu ihm.

Von Violetta Simon

Freitag, kurz nach 9 Uhr: Die kleine Menschentraube, die sich im Schneeregen vor den Portalen der Lukaskirche versammelt hat, besteht aus Presse. Noch ist nicht viel los, nur vereinzelt betreten Besucher die Kirche.

Ein Blumenmeer, Kerzen und ein Foto des Verstorbenen auf den Stufen der Lukaskirche im Münchner Stadtteil Lehel. (Foto: Foto: dpa)

Am Eingang stehen die ersten Sicherheitsleute. Breitbeinig, die Brust gespannt, die Hände wie beim Elfmeter verschränkt, erinnern sie an Türsteher, nur etwas eleganter: Die Männer tragen schwarze Mäntel über den dunklen Anzügen.

Bis man den Sarg erreicht, hat man vier weitere passiert und einige Ermahnungen erhalten: Fotografieren verboten, bitte weitergehen, nein, es ist nicht gestattet, sich hinzusetzen. Jede Bewegung wird registriert, völlig sinnlos, heimlich zu fotografieren.

Blumen ablegen - nur mit Erlaubnis

Dicke Kordeln markieren den Parcours für die Besucher, die sich Richtung Altar bewegen. Der Sarg: ein Meer von weißen Lilien und Rosen auf glänzendem Mahagoni. Kerzen verbreiten Wärme und Stille. Heute spielt es keine Rolle, dass Rudolph Moshammer bereits vor Jahren aus der evangelischen Kirche ausgetreten war.

Einer nach dem anderen bleibt vor dem Sarg stehen, manche verharren mit gesenktem Kopf, andere halten sich nur kurz auf, einige Frauen bekreuzigen sich, bevor sie weitergehen. Auf den Stufen hat jemand Blumen abgelegt, Rosen und Lilien. Eine junge Frau beugt sich zu einem der Sicherheitsleute, fragt um Erlaubnis, legt eine weiße Rose auf die Stufen.

Von wem das üppige Gebinde mit roten Rosen ist, bleibt ein Geheimnis: Die schwarze Schleife ist unbeschriftet, vielleicht wurde die bedruckte Seite auch umgedreht.

Auf einer Staffelei, umrahmt von schwarzem, fließendem Samt, steht ein Foto von Moshammer, auf seinem Arm, natürlich, Daisy. Es ist das gleiche Foto, wie auf dem Sterbekärtchen, das die Besucher erhalten, nachdem sie sich in eines der vier Kondolenzbücher eingetragen haben.

Auf der Karte stehen die Zeilen von Saint-Exupéry, die man aus dem "Kleinen Prinzen" kennt: "Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Irgendwie nicht reell

Was führt die Menschen hierher? Zwei Frauen stehen im hinteren Bereich der Kirche und betrachten die Gedenkstätte, nicht ohne Gruseln: "Ich kann mir das irgendwie gar nicht vorstellen, dass der Mosi in dem Sarg liegt", flüstert eine ihrer Freundin zu.

Überhaupt sei das Ganze noch gar nicht reell für sie. Deshalb sind sie auch gekommen: um es besser zu begreifen. Nein, sie kannten Moshammer nicht persönlich. Doch die Nachricht von seinem Tod hat sie tief getroffen.

Auch die beiden älteren Dame unterm Regenschirm, die vor der Kirche auf jemanden warten, kannten den Verstorbenen nicht. Doch sein Tod sei ein Schock für sie gewesen "Er war ein so guter Mensch und immer so freundlich", erzählt eine der beiden Münchnerinnen. "Als ich gehört habe, dass der Moshammer tot ist, musste ich weinen". Nun sei sie zu Fuß von Thalkirchen hierher gekommen.

Ein Mann mit Rucksack in schmutziger Kleidung drückt sich an ihnen vorbei. Auch er hat Abschied von Moshammer genommen, dessen Tod für ihn eine ganz eigene Tragik haben dürfte: Für viele Münchner Obdachlose stellt sich nun die Frage, ob Moshammers soziales Engagement von jemandem weitergeführt wird, oder ob sie nun in Vergessenheit geraten.

Keine Interviews

Mittlerweile ist der Besucherstrom angewachsen, drei Polizeibeamte erscheinen, um für Ordnung zu sorgen - ein Anwohner hat sich bereits beschwert, dass man nicht durchkommt. Kameras, Mikrofone, Notizblöcke werden gezückt, wenn jemand die Kirche verlässt, doch Interviews werden von den Sicherheitsleuten unterbunden - die Stufen müssen frei bleiben.

Die junge Frau mit der weißen Rose kommt mit ihrem Begleiter die Treppen hinunter. "Ich hatte das Glück, Herrn Moshammer vergangenes Jahr bei einer Autogrammstunde persönlich kennen zu lernen", erzählt sie. Schockiert und traurig war sie, als sie von seinem Tod erfahren habe, "vor allem, weil er auf so grausame Weise hinterrücks ermordet wurde".

An dem Trauerzug am Samstag wird sie nicht teilnehmen, deshalb sei sie heute hier. "Die Trauerfeier und das Begräbnis sind eine Angelegenheit für Angehörige und enge Bekannte, da haben andere Menschen nichts verloren".

Ob die Münchner das auch so sehen, dürfte zu bezweifeln sein. Wenn sich am Samstag tausende dem Trauerzug anschließen, werden nur wenige dabei sein, die den Mann mit dem Hund einmal getroffen haben. Doch darauf kommt es nicht an, denn: Irgendwie hat ihn halt doch jeder ein bisserl gekannt.

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