Transrapid:Ein Leben für und mit der Schwebebahn

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Das System Raschbichler ist das System Transrapid - gut 30 Jahre war Hans Georg Raschbichler Chef des Schwebebahn-Projekts. "Ich bin der Bruder vom Transrapid", sagt sein Sohn. Nun hofft Raschbichler auf dessen Serienreife.

Katja Riedel

Fast verdeckt das "Glas der Vernunft" das Transrapid-Modell in Hans Georg Raschbichlers Vitrine. Zu übersehen ist die Magnetschwebebahn aber dennoch nicht im Arbeitszimmer von dessen geistigem Vater. Modelle aller Entwicklungsstufen, Gemälde von Freunden, immer im Zentrum: die Magnetschwebebahn.

Ein Ingenieur und sein Lebenswerk: Hans Georg Raschbichler hat mehr als 30 Jahre der Entwicklung des Transrapid gewidmet. (Foto: Foto: SZ/Haas)

Für das Projekt seines Lebens wurde dem Ottobrunner nicht nur das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, sondern eben auch der gläserne Kassler Bürgerpreis. Genauso wie Hans-Dietrich Genscher, Yehudi Menuhin oder Christo und seiner Frau Jeanne-Claude.

Hans Georg Raschbichlers Kunst kommt der Genschers am nächsten: "Ich bin kein wirklicher Erfinder, ich bin ein Umsetzer", sagt er, ein Diplomat zwischen Politik und Technik, zwischen Rechnern und Konstrukteuren, Finanziers und Nutzern. Ein Botschafter der Technik.

Mehr als 30 Jahre lang, seit 1974, schwebt der Transrapid durch Raschbichlers Leben, oder Raschbichler reist mit ihm, wie es eine Karikatur nahe legt, die hinter seinem Schreibtisch hängt. Da sitzt Raschbichler auf dem Zug und gibt der Schwebebahn Peitsche und Sporen, gegen alle Widerstände.

Ein Leben für und mit der Schwebebahn

In den 1970ern war Raschbichler, noch junger Ingenieur, verantwortlich bei MBB. Ludwig Bölkow selbst hatte ihn mit dem Projekt betraut. Und so schwebte die erste Bahn 1974 durch 700 Meter Ottobrunner Luft. Nach inhaltlichen Differenzen ging es weiter bei Thyssen-Henschel, später als Geschäftsführer verschiedener Joint-Ventures, letztlich, bis zur Rente Anfang 2005, als Chef der Transrapid-International.

Ein Leben für und mit der Schwebebahn, deren Fahrtechnik er erfunden und dessen Entwicklungsstufen er geleitet hat, immer basierend auf einem Patent von 1935. Dies stammte von Hermann Kemper, der nie die Möglichkeit hatte, seine Idee umzusetzen. "Die besten Ideen aber, das sind die, die verwirklicht werden", sagt Raschbichler. Das ist sein Motto.

Durch diesen Transport in die Wirklichkeit hat Raschbichler sich in den Medien den Titel "Vater des Transrapid" erarbeitet. Nicht er selbst sei es gewesen, der den Titel beansprucht habe, mit dem sich auch ein ehemaliger Leitender Angestellter des Konkurrenten Krauss-Maffei gerne schmückt.

Entscheidend für die geistige Vaterschaft sei, woher der Strom kommt, der die Bahn zum Schweben bringt: aus dem Zug oder dem Fahrgleis. Heute kommt er aus dem Gleis, gemäß Raschbichlers Überzeugung. Und das System Raschbichler ist eben auch das System Transrapid.

Raschbichlers Familie hat sich ohnehin entschieden: Auf die Frage, wer er eigentlich sei, antwortete Sohn Michael einmal: "Ich bin der Bruder vom Transrapid". Raschbichler erzählt es und lacht dabei unbefangen wie ein Kind, in den Augen nichts als Begeisterung.

Trauer über das Unglück

Die schlägt in Sekunden um in Trauer, als ihm die neuen Bilder von der Teststrecke im Emsland vor Augen kommen. Es ist echte persönliche Betroffenheit, die Raschbichler bei dem Gedanken an das Unglück empfindet, hat er doch einige jahrelange Weggefährten verloren. Er schlafe schlecht, die Gedanken kreisten um das Unglück.

Eigentlich, sagt er, eigentlich wolle er kein Wort mehr zu dem Unfall verlieren. Niemanden beschuldigen, solange die Ursache nicht geklärt ist. Während er dies sagt, spuckt das Faxgerät zwei Seiten aus, eine Agenturmeldung über den Untersuchungsbericht der Staatsanwaltschaft.

Raschbichler liest und schluckt. Menschliches Versagen. Er sieht die Katastrophe für diejenigen, deren Unaufmerksamkeit wohl das Leben von 23 Menschen gekostet hat. Doch wo Menschen arbeiten, da passieren Fehler, sagt er, immer noch aschfahl; Fehler lassen sich nicht ausschließen, so perfekt das System auch ausgedacht und umgesetzt sei.

Raschbichler zählt die Sicherheitszertifikate und Prüfinstitutionen auf, die sein System und die Teststrecke in den Jahrzehnten durchlaufen haben. 1993 gab es das Attest: uneingeschränkte Serienreife. Der Transrapid sei sicher, könne nicht entgleisen, und Züge, die sich begegnen, würden automatisch abgebremst.

Warum im Emsland nichts den Transrapid bremste, darauf hat er keine Antwort. Es sei der Sicherheitsstandard von Schanghai, der einzigen bislang verwirklichten Transrapidstrecke weltweit. Und der Sternstunde der Karriere des Transrapidvaters Raschbichler.

Ganz zurückgezogen und für sich allein, nur mit seiner Frau an der Seite, habe er im letzten Wagen gesessen, als der Transrapid Silvester 2002 zwischen Schanghai City und Flughafen erstmals schwebte, 30 Kilometer in sieben Minuten. "430 Stundenkilometer, zack", sagt er und unterstreicht es mit einer Handbewegung.Dafür haben sich die 30 Jahre gelohnt, meint er. Mit diesem Gefühl habe er sich zurückziehen können.

Raschbichler setzt weiterhin auf den Transrapdid

Und dennoch: Die Zukunft des Transrapid hänge davon ab, ob die Münchner Strecke gebaut wird. Das weiß Raschbichler genau. Es muss ein Signal gesetzt werden, denn Weltmarktführer könne nur sein, wer auch im eigenen Land auf die eigene Technik setze. Er selbst setzt weiterhin auf den Transrapid, dessen neunte Generation im Frühjahr im Emsland auf die Spur geht, und wenn es nach ihm geht, möglichst bald in Serie.

Doch mittlerweile ist Raschbichler Transrapid-Großvater. Hätschelt, hütet und wiegt das Baby nur noch gelegentlich, wenn er gefragt wird. Hat keinen Beratervertrag, sondern ist gelegentlicher Botschafter, mal an einer Schule, mal bei den Ottobrunner Senioren. Sohn Michael aber ist ganz nah dran an seinem Bruder; der selbstständige Berater ist gefragter Experte.

Großvater Raschbichler, der inzwischen auch zwei richtige Enkel hat, widmet sich vor allem dem Sport. Er verbessert sein Golfhandicap, radelt, fährt Ski, streichelt die beiden Kater und zieht sich in seine Haussauna zurück, jeden Abend.

© SZ vom 24.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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