Internationales Restaurant Haidhausen "Tramin":Überraschungen gehören zum Konzept

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Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen leider nicht mehr.

A. Gudmund

Einen Rebenhang über dem Südtiroler Weinort Tramin steht die kleine Kirche Sankt Jakob in Kastelaz. Ihr Inneres ist bemalt mit wundersamen Fresken aus dem Mittelalter.

Merkwürdige Fabelwesen schauen von den Mauern, und eine ganze Wand entlang liegt ein riesig gemalter Goliath, niedergestreckt vom kleinen, aber aufrechten David. Klein schlägt groß - zu allen Zeiten neigte sich die Sympathie der Leute dem underdog zu, dem Kleinen, aber, oho!, Feinen.

Der tätowierte Wirt

Auch Wirte und Köche bescheiden sich immer öfter mit kleinen Läden, um ihre - kulinarisch oft unbescheidenen - Ambitionen zu probieren. Keine steifen Tischtücher, keine mascherltragenden Kellner, sondern einfache Holztische für die Gäste und dicke Tätowierungen auf den Unterarmen des Wirts:

Auch das kleine Tramin in Haidhausen legt äußerlich überhaupt keinen Wert auf großspuriges Tamtam. Zwei kleine Räume mit schönem Dielenboden, graugrünen Wänden und raffiniert gedämpften Licht - mehr braucht es nicht, um eine richtig gemütliche Atmosphäre zu schaffen.

Oder doch: Denn da ist noch der tätowierte Mann mit der Schlägerkappe auf dem Kopf: der Wirt. Holger Baier kann in schönstem Bairisch ein "Aperitiverl" oder ein "Anterl" anbieten, ohne das dies aufgesetzt wirkt. Er macht Scherze, ohne aufdringlich zu sein, und er lächelt viel und herzlich - wie sein Kollege auf zurückhaltende Art ebenso.

Überraschungen gehören zum Konzept

Dieser charmante Witz setzt sich auf der Karte fort. Die führt die Gerichte unter oft ziemlich überdrehten Namen, und so richtig wird beim Lesen wohl kaum jemanden klar, was er sich unter "Harry Hirsch Erbse, Johannisbeer und Heu" oder "Tram Kha Gung Langostino und Koriander" vorstellen soll. Tramin goes Thai? Macht alles nichts!

Die spielerische Überraschung ist hier Konzept, und darum erscheint es egal, wie sich der Gast aus jeweils zwei bis drei Vor-, Fisch-, Fleischgerichten und Desserts sein Menü zusammenstellt. Vier Gänge kosten 52, sieben 73 Euro - und für dieses Geld kommen noch zusätzliche Überraschungen aus der Küche.

Das begann bei unseren Besuchen mit ein paar Schlucken eines samtigen, mit Mandarinen raffiniert aufgesüßten Krebsschwanzsüppchens. Dem folgte als zweites Gaumentratzerl eine "Bayerische Frühlingsrolle", gefüllt mit Seefisch auf einer ganz leichten Mayonnaise mit Schwammerln und Lauchgrün - und damit hatte der junge Koch (er heißt Daniel Schimkowitsch) bereits bewiesen, dass er in seinen Lehrjahren in Sterne-Küchen nicht nur brilliantes Handwerk gelernt hat, sondern damit und mit frischen, zumeist regionalen Produkten auch höchst kreativ umgehen kann.

Lösen wir also das erste Rätsel: Die in "Tram Kha Gung" waren kalte, frische Langostinos in einem sanften Koriandercreme-Bett, umgeben mit Kokosschaum. Als "Zickige Ente" erschien eine wunderschön rosige Scheibe Entenbrust, begleitet von einem gerollten Blaukrautblatt und cremig zerfließendem Ziegenkäse.

Auf der nächsten Seite: Der Spieltrieb des Kochs.

Aufregende Exotik

Unter dem Titel "Inka-Zato" legte sich ein intensives Süßkartoffelpüree neben eine zart marinierte Jakobsmuschel und knusprige Amaranthnuss-Streusel. Alles war wunderschön, ja puristisch dekoriert. Beim "Karotten Mikado" etwa lagen drei Karottenschnitze streng ausgerichtet nebeneinander.

Ihr intensiver Geschmack dominierte freilich zu sehr den sich kalligraphisch auf dem Teller kringelnden, aber etwas matten Pulpotentakel, dem sehr dekorativer Olivensand und der Kübelspeck, ein ungemein konzentriertes, fast soßenähnlich zergehendes Stückchen Lardo, wieder aufhalfen.

Dem "Räuberische Huchen" in seiner Minzecreme verliehen drei Tupfen Curry am Tellerrand eine aufregende Exotik, dem "Wilden Seesaibling" ein Bett aus sauer marinierten Zwiebeln ein ebenso spannendes Lokalkolorit.

Der bereits erwähnte Hirschrücken namens Harry, eigentlich wunderbar zart und rosig, bereitete die einzige Enttäuschung, die wir erlebten. Womöglich war er zu lange in der Beize gelegen, jedenfalls deutlich zu salzig. Das konnte auch das mit Johannisbeeren drapierte, mit einer aus Heu (jawohl: Heu!) gewonnen Soße unterlegte Erbsenpüree nicht ganz retten.

Popeyes Leibspeise

Dafür war das "Club Sandwich vom Höhenrainer Kaninchen" nicht nur amüsante Idee, sondern überaus gelungen: Den zarten, dünn mit einer feinen Tomatenfarce eingestrichenen Kaninchenrücken umhüllten Rucolablätter und drumherum knusprig gebratener Weißbrotteig.

Spektakulär auch die "Königsberger Kalbsstelze": Neben dem ausgelösten, in seiner kräftigen Kapernsoße dem Messer sofort nachgebendem Kalbsfleisch barg der ausgehöhlte Beinknochen knackiges, leider auch etwas zu salziges Mangold-Ragout.

Mit "Popeyes Leibspeise" folgte der Koch wieder seinem sympathisch ungebärdigen Spieltrieb: Neben einer quietschgrünen Spinatcreme lagen ein rosig gebratenes Stubenküken-Brustfilet und eine ironische Hochküchenversion dessen, was Imbissketten als Nuggets verkaufen - ein frittiertes Bällchen aus saftigem Hühnerfleisch.

Zum Abschluss gibt's einen Lutscher

Zum Nachtisch kamen wahre Kunstwerke: Kaffeecreme-Stäbchen auf einem Schiffchen aus glasiertem Zucker mit Fencheleis und leicht marinierter Ananas etwa. Oder: dunkle Schokoladen- und weiße Minzcreme als Zitat der Marke After Eight, begleitet von Zitronengraseis.

Als wir glaubten, alles wäre leider vorbei, kam noch eine Maurerkelle mit kleinen, süßen Häppchen darauf - etwa einer sensationellen, mit Senf gefüllten Praline und, augenzwinkernd albern, einem hausgemachten Lutscher.

Auf der Weinkarte hat sich der Wirt und Sommelier nicht auf die üblichen großen Namen verlassen, sondern lädt sehr kundig und zu durchaus moderaten Preisen zu Entdeckungen ein. Traminer und Gewürztraminer eingeschlossen.

Tramin, Lothringer Straße 7, Telefon: 444 540 90.www.tramin-restaurant.de. Geöffnet Dienstag bis Samstag von 18 bis 1 Uhr.

© SZ vom 29.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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