Tourneeauftakt:Echt routiniert

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Um Mitternacht wurde sie 20 Jahre alt - davor bot die kanadische Sängerin Avril Lavigne in der Münchner Olympiahalle ein solides Programm.

Von Jochen Temsch

Britney Spears ist auch dabei. Zumindest ihr Hit "Baby, One More Time", den Avril Lavignes Vorband als Schrabbelrock-Nummer intoniert. Schönen Gruß von der Gegenspielerin. Als Anti-Britney wird Avril Lavigne ja immer wieder gerne bezeichnet, das bockige Mädchen aus der kanadischen Provinz, das seine Songs im Gegensatz zu biederen Plastiklolitas wie Spears mehr oder weniger selbst schreibt, auf der Bühne echt singt und mit der Gitarre gekonnt begleitet.

Avril Lavigne beim Tourneeauftakt in der Münchner Olympiahalle. (Foto: Foto: dpa)

Der Kampf der Rollenmodelle - Avril Lavigne gewinnt ihn leicht mit ihren vertonten Geschichten aus dem prallen Leben selbstbewusster Mädchen. Zu so einer kann man seine Kinder ohne weiteres schicken, und sogar als Aufpasser mitgehen, weshalb die Atmosphäre im Publikum dann auch etwas von einem Familienausflug hat.

Aber diese Vorband, die vor einem Banner mit Bandlogos - Männchen, die sich übergeben - auf eine Art Green Day für ganz Arme macht, ist schon von ihrem Namen Bowling for Soup her so dreist für die Michael-Moore- und "Jackass"-begeisterte Jugend designt, dass es weh tut.

Dieses Elend erinnert zwangsläufig, noch bevor Avril Lavigne überhaupt auf die Bühne kommt, an die alte Frage neu: Wie künstlich ist eigentlich Lavignes Echtheit im Vergleich zur echten Künstlichkeit der Konkurrenz?

Eine Antwort beim Auftritt in der mit 8000 Zuschauern nicht vollen Olympiahalle zu finden, ist müßig. Die Akkorde, die Lavigne zum Konzertauftakt auf der Gitarre anschlägt, kann jeder Anfänger zupfen. Es lässt sich kaum erkennen, ob sie wirklich E-Piano spielt, kaum sagen, wie viel Anteil die Elektronik an ihrem Gesang hat. Jedenfalls ist der Sound außergewöhnlich gut, die Stimme wirkt dynamischer und facettenreicher als auf ihren Platten.

Umso unbeweglicher bleibt Lavigne selbst, die sich meist damit begnügt, ihre Songs ohne große Ansagen aus dem Stand zu bringen. In schlichtes Schwarz gekleidet, vor einem minimalistischen Bühnenbild, lautet die Botschaft der Sängerin Reduktion und Beschränkung aufs Wesentliche: die Musik, also ihren eingängigen, hymnischen Poprock zum Mitsingen.

So gehen die 90 Standardminuten ihres Konzerts - das erste von nur zweien in Deutschland zum neuen Album "Under My Skin" - von den Fans gefeiert, aber routiniert und ohne Höhepunkt dahin. Es war gleichzeitig Lavignes Abschied als Teenager. Um Mitternacht wurde sie 20 Jahre alt.

© SZ vom 28.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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